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2007: Chance Unternehmen

Köln, 16.03.2007 12:09 Uhr (redaktion)

Gründungsförderung: Licht und Schatten.
Die Gründungsförderung ist auf neue Beine gestellt worden. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Prof. Dr. Michael Hüther, setzt sich mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Instrumente auseinander.

Unternehmensgründungen tragen zum Wachstum bei und fördern den Strukturwandel. Mit neuen, besseren Geschäftsideen werden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dass dabei auch alte Betriebe mit überholten Produkten und Verfahren aus dem Markt gedrängt werden, ist Bestandteil einer lebendigen Wirtschaft. Besonders wichtig sind Unternehmer, die sich in neue Technologie- und Geschäftsfelder vorwagen und mit ihren Innovationen den technischen Fortschritt beschleunigen.

Seit den achtziger Jahren ist die Förderung der Existenzgründung Bestandteil des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens der Arbeitsverwaltung. Das Überbrückungsgeld hat eine lange Tradition. Doch trotz der Milliardenkosten wurde die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik in all den Jahren nie wissenschaftlich fundiert untersucht. Vor den einschneidenden Veränderungen durch die Hartz-Reformen erfolgte die aktive Arbeitsmarktpolitik im evaluatorischen Blindflug – und das bei einem Ausgabenniveau von rund 20 Milliarden Euro im Jahr.

Boom bei Ich-AGs, aber Verdacht auf Mitnahmeneffekte

Im Jahr 2003 änderten sich in der arbeitsmarktpolitisch motivierten Existenzgründungsförderung zwei entscheidende Dinge: Einerseits wurde erstmals verbindlich festgelegt, dass die Arbeitsmarktpolitik mit wissenschaftlicher Expertise evaluiert werden muss. Folgerichtig gab das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit umfangreiche Untersuchungen in Auftrag, deren Ergebnisse nunmehr veröffentlicht werden. Andererseits wurde dem Überbrückungsgeld mit dem Existenzgründungszuschuss ("Ich-AG") ein weiteres Instrument an die Seite gestellt. Besonderes Kennzeichen war sein Charakter als Pflichtleistung. Dies führte dazu, dass sofort der Verdacht von Mitnahmeeffekten entstand. Arbeitslose – so die nicht ganz unbegründete Vermutung – machen sich pro forma selbstständig, um weitere drei Jahre Transferleistungen beziehen zu können. Besondere Voraussetzungen waren daran nicht geknüpft.

Zur Entstehung des Verdachts auf Mitnahmeeffekte trug auch bei, dass der Ich-AG ein phänomenaler Erfolg zuteil wurde, wenn als Maßstab die Anzahl der Geförderten herangezogen wird. Innerhalb eines Jahres stieg die Anzahl der Empfänger des Existenzgründungszuschusses auf weit über 100.000 an, ohne dass die Förderung durch das Überbrückungsgeld darunter gelitten hätte. Insgesamt wurden im dreieinhalbjährigen Ich-AG-Zeitalter 393.000 Förderungen bewilligt, bis zur Jahresmitte 2006 das Programm eingestellt wurde. Einen Höhepunkt markierte das Jahr 2004 mit über 170.000 neuen Ich-AGs. Danach kam es zwar zu einem deutlichen Rückgang bei den Neuanträgen, was auch durch die Verschärfung der Fördervoraussetzungen bedingt gewesen sein dürfte. Trotzdem wurden durch die hohe Anzahl der Ich-AGs nicht nur Mitnahme- sondern zunehmend auch Verdrängungseffekte zu einem Thema. Gegenwärtig werden noch knapp 200.000 Personen gefördert.

Überbrückungsgeld: Anreiz vor allem für IT-Gründungen

Die nunmehr vorliegenden Ergebnisse der Wirksamkeitsuntersuchung fördern einige wichtige Erkenntnisse zutage: Erstens weisen geförderte Gründungen aus der Arbeitslosigkeit strukturelle Unterschiede auf. Empfänger von Überbrückungsgeld gründen häufiger Unternehmen im Bereich von IT- und Finanzdienstleistungen, während die Ich-AG eher bei persönlichen Dienstleistungen und Handel anzutreffen ist. Mit dem Überbrückungsgeld gelang es also eher, Unternehmensgründungen in neuen, wachstumsrelevanten Sektoren anzuregen. Ich-AG-Gründer verfügen über weniger Berufserfahrung und Startkapital. Sie machen sich häufiger aus der Not heraus selbstständig und weniger aus der Überzeugung, dass die Selbstständigkeit die für sie geeignete Erwerbsform ist. Beide Instrumente erweisen sich jedoch als effektiv: Teilnehmer an der Förderung sind deutlich weniger häufig arbeitslos als vergleichbare Nichtteilnehmer. Zumindest beim Überbrückungsgeld gilt dies auch langfristig. Immerhin 30 Prozent der mithilfe des Überbrückungsgeldes Selbstständigen beschäftigt ihrerseits Mitarbeiter.

Gründungszuschuss ersetzt bisherige Angebote

Seit August 2006 gibt es mit dem Gründungszuschuss ein neues Förderinstrument für die Gründung eines Unternehmens aus der Arbeitslosigkeit, das die beiden bisherigen Angebote ersetzt. Der Zuschuss entspricht für die ersten neun Monate dem Arbeitslosengeld zuzüglich 300 Euro; danach wird die Geschäftstätigkeit überprüft und bei positiver Beurteilung durch die Experten der Bundesagentur für Arbeit für ein weiteres halbes Jahr eine Förderung von 300 Euro monatlich gewährt. Die maximale Förderdauer beträgt nun also 15 Monate, während sie zuvor beim Überbrückungsgeld nur ein halbes Jahr betrug, bei der Ich-AG hingegen bis zu drei Jahre dauern konnte.

Die Bundesregierung erwartet etwa 170.000 über den neuen Zuschuss geförderte Gründungen pro Jahr; die Kosten dürften dann bei 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro liegen. Dieser Erwartungswert entspricht ungefähr der Anzahl der Bewilligungen für das Überbrückungsgeld in den letzten Jahren, mit dem das neue Förderinstrument deutlich mehr Gemeinsamkeiten hat als mit der Ich-AG. Der dieses Jahr erfolgte Umbau der bisherigen Existenzgründungsförderung in einen neuen Gründungszuschuss kam daher der Abschaffung der Ich-AG gleich.

Angesichts der bisherigen Evaluationsergebnisse muss diese Maßnahme als voreilig bezeichnet werden. Die Ich-AG war effektiv, und sie sprach einen anderen Personenkreis an als das Überbrückungsgeld. Ob sie auch unter Berücksichtigung von Mitnahme- und Verdrängungseffekten ein sinnvolles Instrument ist, wäre allerdings noch zu ermitteln und kann als keineswegs sicher betrachtet werden. Die mit der Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen deutlich rückläufige Anzahl der Neubewilligungen seit 2005 spricht zumindest dafür, dass die genannten Effekte durch Reformen innerhalb des Instruments mit Erfolg bekämpft werden konnten. Letztlich bleibt es schwer nachvollziehbar, dass die Bundesregierung einerseits millionenschwere Evaluationsstudien in Auftrag gibt, dann aber Fakten schafft, kurz bevor die Ergebnisse vorliegen.

Im Original von:

Prof. Dr. Michael Hüther
Direktor und Mitglied des Präsidiums
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Gustav-Heinemann-Ufer 84-88
50968 Köln

 

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