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Vogel-Strauß-Politik hilft nicht -Wege aus der Staatsverschuldung

Köln, 27.03.2007 18:07 Uhr (redaktion)

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in der Studie "Tragfähige Finanzpolitik – Ein weiter Weg für Deutschland" die Frage gestellt, wie der Staat wieder handlungsfähig wird. Im Kern durch durch Subventionsabbau und eine intelligentere Sozialpolitik.

Die Bundesrepublik Deutschland schiebt einen Schuldenberg von über 1,5 Billionen Euro vor sich her; das sind umgerechnet je Kopf der Bevölkerung 18.297 Euro. Richtig gewachsen sind diese Schulden seit Mitte der siebziger Jahre. Während die Gründerväter und -mütter der Republik darauf achteten, ihre Wahlversprechen solide zu finanzieren, öffneten sich danach die Schleusen. Hinzu kommt, dass die an den keynesianischen Glaubenssätzen ausgerichtete Strategie, durch gezieltes Verschulden die Nachfrage anzukurbeln, zu einem raschen Anwachsen der staatlichen Defizite führte – die erhofften Wirkungen, mehr Wachstum und Beschäftigung, blieben jedoch aus. Gleichwohl verabschiedete man sich von Keynes nur halbherzig – und auch die Wiedervereinigung wurde weitgehend auf Pump finanziert. Die Folge (Grafik):

Grafik: Die Schuldenmacher
Grafik: Die Schuldenmacher (Zur Vergrößerung bitte auf die Grafik klicken)

Der Schuldenstand des Bundes erhöhte sich von 311 Milliarden Euro oder 24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1990 auf 782 Milliarden Euro oder 38 Prozent des BIP im Jahr 2000.

Damit geriet die Bundesregierung immer mehr in Konflikt mit den sowohl im Grundgesetz als auch im Vertrag von Maastricht verankerten Schuldengrenzen:

Nachdem die EU-Kommission drohte, einen blauen Brief zu schicken und damit einen Prozess einzuleiten, der am Ende zu Strafzahlungen Deutschlands wegen fortgesetzten Verstoßes gegen die Maastricht- Kriterien geführt hätte, kam Bewegung ins Spiel. Statt jedoch bei den Ausgaben kräftig zu kürzen, wurde erneut der vermeintlich bequemere Weg gewählt: Die Mehrwertsteuer und die Versicherungssteuer wurden im Januar 2007 um 3 Prozentpunkte erhöht. So wollte die Bundesregierung sicherstellen, dass das Defizitkriterium eingehalten wird.

Endgültig zur Entwarnung in Sachen Maastricht-Kriterien geführt hat jedoch nicht diese steuerpolitische Operation, sondern die Konjunkturerholung. So schließen Steuerschätzer nicht mehr aus, dass die Steuereinnahmen im laufenden Jahr um 15 Milliarden Euro höher ausfallen könnten als noch vor wenigen Monaten geschätzt. In der Folge dürfte sich die Neuverschuldung bis auf 1 Prozent des BIP drücken lassen.

Bei näherem Hinsehen allerdings gibt es keinen Grund zum selbstzufriedenen Zurücklehnen. Denn der gesamte Schuldenberg von Bund, Ländern und Gemeinden liegt nach wie vor bei besagten rund 68 Prozent der Wirtschaftsleistung. Überdies möchte der Bundesfinanzminister auch in diesem Haushaltsjahr nicht auf eine zusätzliche Verschuldung von knapp 18 Milliarden Euro verzichten – nach offiziellen Verlautbarungen ist allenfalls zum Ende der fünfjährigen Finanzplanung in 2011 ein ausgeglichener Haushalt zu erwarten.

Dieses finanzpolitische Klein-Klein hilft jedoch nicht wirklich weiter. Es fehlt ein Konzept, mit dem der Schuldenberg dauerhaft abgetragen werden könnte. Würde die bis 2005 praktizierte Finanzpolitik nämlich langfristig unverändert fortgeführt, käme es zu einer Explosion der öffentlichen Verschuldung. Der Schuldenstand würde bis 2050 auf 239 Prozent des BIP steigen – das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit beliefe sich auf 11 Prozent des Sozialprodukts.

Sozialhaushalte
Grafik: Sozialhaushalte (Zur Vergrößerung das Bild mit der Maus anklicken)

Wie der Staat dann die Zinsen für die Schulden aufbringen kann, weiß niemand. Bereits heute verschlingen die Zinszahlungen im öffentlichen Gesamthaushalt in Höhe von 64,5 Milliarden Euro nahezu jeden sechsten Steuer-Euro. Es bringt also nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und zu glauben, mit dem bisher Geschafften wäre alles in Ordnung:


 

Will man zumindest die im Maastrichter Vertrag vorgesehene Verschuldungsquote von 60 Prozent im Jahr 2017 erzielen, ergibt sich ein linear über den Zeitraum 2007 bis 2016 verteilter Konsolidierungsbedarf von jährlich 8,5 Milliarden Euro.


 

Mit dem Erreichen des Maastricht-Limits ist es jedoch nicht getan. Denn in den kommenden Jahrzehnten wird der Staat von der demografischen Entwicklung richtig in den Schwitzkasten genommen. Allein die zukünftigen Ausgaben für die Alterspflege werden sich im Zeitraum 2005 bis 2050 glatt verdoppeln (Grafik). Dass der Staat im Gegenzug weniger für die Arbeitslosigkeit aufwenden muss, ist nur ein kleiner Trost.

Nicht alle zusätzlichen Ausgaben der Sozialversicherungen wird man über Beiträge auf die Arbeitnehmer abwälzen können – der Bund bleibt im Boot. Schon heute schießt er Jahr für Jahr etwa 78 Milliarden Euro zu, für versicherungsfremde Leistungen wie z.B. Rehabilitation.

Insofern wäre es vorteilhaft, sich ein kleines Fettpolster zuzulegen, das dann, wenn die demografischen Effekte in etwa 20 Jahren voll wirksam werden, abgeschmolzen werden kann. Konkret: Das IW Köln schlägt vor, auch über das Jahr 2017 hinaus weitere Budgetüberschüsse zu erwirtschaften und damit die Staatsschuld bis zum Jahr 2031 auf 42,5 Prozent des BIP zu senken. Danach wird die Vorsorge reduziert und die Verschuldung darf bis 2050 allmählich wieder auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.

Wie aber lassen sich Einsparungen über einen so langen Zeitraum hinweg erzielen? Wer sich an Besitzständen vergreifen will, läuft hierzulande Gefahr, gegen Windmühlenflügel anzurennen. Doch es gibt ein Schlupfloch – und das heißt Effizienzsteigerungen: Wenn mit den Ausgaben eben nicht auch die staatlichen Leistungen gekürzt werden, sind Konsolidierungsmaßnahmen der Bevölkerung eher zu vermitteln.

Um die gleichen Leistungen für weniger Steuergelder zu erbringen, muss das Rad nicht neu erfunden werden. Viele Nachbarländer machen vor, wie man mit weniger Geld ebenso viel Output erzielt. So wendet das schwedische Bildungssystem für die gleichen Schulergebnisse – gemessen an PISA – rund 20 Milliarden Euro im Jahr weniger auf. Ähnliche Effizienzpotenziale schlummern in den Bereichen Gesundheit, Infrastruktur, öffentliche Ordnung und Armutsabsicherung (Grafik):

Staatliche Leistungen
Grafik: Staatliche Leistungen

Nimmt man in allen fünf Feldern jeweils die effizientesten Länder als Benchmark, dann lassen sich in Deutschland über 80 Milliarden Euro im Jahr ohne Leistungseinbußen einsparen.

Wer die Staatsfinanzen sanieren will, kommt auch am Abbau von Subventionen nicht vorbei. Dass die Politik dafü r– entgegen allen Befürchtungen – durchaus die Kraft hat, wurde zu Jahresanfang 2006 mit der Beerdigung der Eigenheimzulage eindrucksvoll bewiesen. Aber auch für andere steuerpolitische Begünstigungen fehlt die ökonomische Rechtfertigung. Auf eine Streichliste für den Subventionsabbau gehören vor allem:

Des Weiteren sollten auf den Prüfstand: die Entfernungspauschale ab 21 Kilometern, die den Staat pro Jahr 2 Milliarden Euro kostet, sowie die Steuerbefreiung für haushaltsnahe Dienstleistungen im Umfang von ebenfalls 2 Milliarden Euro.

Weitere Informationen:

Winfried Fuest, Michael Thöne: Tragfähige Finanzpolitik – Ein weiter Weg für Deutschland, IW-Positionen Nr. 25, Köln 2007, 52 Seiten, 11,80 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.divkoeln.de

 

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