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Interview zum Thema des Monats: Verbraucherschutz und unternehmerisches Handeln

Nürnberg, 02.04.2007 17:38 Uhr (FS)

Für das Interview zum Thema „Verbraucherschutz“ konnten wir Herrn Dr. Nikolaus Weber, Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner gewinnen.

Herr Dr. Weber, das Thema Verbraucherschutz scheint in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle in Deutschland und der EU zu spielen. Zahlreiche europarechtliche Vorgaben sowie das sprunghafte Ansteigen von Verbraucherschutzverbänden und Organisationen zeigen deutlich, dass das Thema Verbraucherschutz inzwischen eine tragende Rolle im deutschen und europäischen Recht spielt. Wie wirkt sich dies auf die wirtschaftliche Bestätigung der Mandanten von Rödl & Partner, welche ja fast ausschließlich Unternehmen sind, aus?

Der Begriff Verbraucherschutz bezeichnet alle Regelungen und Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern oder Dienstleistungen zu schützen. Hinter dem in letzter Zeit tatsächlich sprunghaft angestiegenen öffentlichen Bedürfnis an einem Mehr an Verbraucherschutz steckt eine interessante Entwicklung hinsichtlich des Konsumentenbildes. Während früher das traditionelle Leitbild eines Verbrauchers von einem „mündigen Bürger“ ausging, der wirtschaftliche Entscheidungen selbst und eigenverantwortlich treffen kann, geht das jüngere Verbraucherbild immer mehr vom schutzbedürftigen Verbraucher aus. Dieser soll Anbietern von Waren oder Dienstleistungen unterlegen sein, man spricht auch von einem strukturellen Ungleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht soll durch immer neuere gesetzliche Bestrebungen ausgeglichen werden.

Welche Rolle spielt die EU in diesem Zusammenhang?

Die Europäische Union hat sehr bald den Bereich des Verbraucherschutzes als eine der maßgeblichen Thematiken des gemeinsamen Binnenmarktes entdeckt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass nahezu alle verbraucherschutzrechtlichen Regelungen der letzten Jahre auf Initiativen oder Richtlinien der EU zurückgehen.

Vor welche Herausforderungen stellt das Thema Verbraucherschutz den deutschen Mittelstand?

Die Herausforderungen für den Mittelstand in diesem Bereich sind zahlreich. Zum einen besteht die Pflicht, den unterschiedlichsten gesetzlichen Anforderungen, die in jüngerer Zeit immer zahlreicher werden, gerecht zu werden. Daneben sollte man zudem stets ein offenes Auge auf neue europarechtliche oder nationale Entwicklungen haben. Während die klassischen Bereiche des Verbraucherschutzes mittlerweile durch eine Fülle von Rechtsprechung greifbarer geworden sind, stehen die jüngeren Themen noch am Anfang dieser Entwicklung. Durch immer strengere Compliance-Anforderungen an die Unternehmen wirken sich auch die Verstöße viel gravierender aus.

Was sind die „klassischen Materien“ des Verbraucherschutzes?

Die wichtigsten klassischen Gebiete des Verbraucherschutzes aus Unternehmersicht sind sicherlich die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Fragen der Produkthaftung. Insbesondere die weitreichende Ausdehnung der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die ursprünglich nur für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern konzipiert war, nunmehr auch auf Verträge zwischen Unternehmen immer enger anwendbar sein soll, führt in der Praxis immer wieder zu erheblichen Problemen. Ein weiterer klassischer Bereich ist das Produkthaftungsgesetz, welches dem Hersteller oder dem Importeur von Waren eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung für Produktfehler aufbürdet. Diese Haftung kann existenzielle Bedeutung für ein betroffenes Unternehmen erlangen.

Welche „neueren Bereiche“ des Verbraucherschutzes spielen eine Rolle?

Die jüngere gesetzliche Entwicklung hat den Verbraucherschutz vorwiegend in drei Bereichen forciert. Zum einen ist hier der Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs zu nennen. Hier hat das Fernabsatzgesetz zahlreiche Neuerungen geschaffen, wie beispielsweise ein Widerrufsrecht bei so genannten Fernabsatzgeschäften, etwa im Versandhandel oder bei Onlinegeschäften. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Produktsicherheit. So wurde zum 1. Mai 2004 in Deutschland das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz geschaffen, welches eine europäische Richtlinie über allgemeine Produktsicherheit umgesetzt hat. Dieses Gesetz erlegt Herstellern und Händlern umfassende Informations- und Aufklärungspflichten auf, um dem Verbraucher eine möglichst bewusste und eigenverantwortliche Kaufentscheidung zu ermöglichen. Der dritte wesentliche Bereich ist die Entsorgung von Waren. Hier sind in erster Linie das Elektro- und Elektronikgerätegesetz sowie die Verpackungsverordnung zu nennen. Ersteres bürdet Herstellern und Vertreibern von Elektronikprodukten umfassende Rücknahme und Entsorgungspflichten auf. Die Verpackungsverordnung sieht entsprechende Pflichten für sämtliche Arten von Verpackungsmaterial vor, welches von Herstellern oder Vertriebspartnern in Verkehr gebracht wird.

Welche Empfehlungen geben Sie mittelständischen Unternehmen mit auf den Weg, damit diese sich im Dickicht verbraucherschutzrechtlicher Bestimmungen nicht verirren?

In erster Linie ist eine sorgfältige Untersuchung und Überprüfung des eigenen Geschäftsbereichs vorzunehmen, um zu ermitteln, welche spezifischen verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen überhaupt einschlägig sein können. Da es sich bei dem Verbraucherschutzrecht um eine weit verzweigte Materie handelt, ist eine solche Eingangsüberprüfung unabdingbar. In einem zweiten Schritt ist dann zu klären, ob es hinsichtlich spezifischer verbraucherschutzrechtlicher Anforderungen Handlungsbedarf gibt. Hierzu gehört die periodische Überprüfung und Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen in gleicher Weise wie die Optimierung von Unternehmensprozessen im Hinblick auf Produktsicherheits- oder Entsorgungspflichten. Auch die Hersteller und Großhändler sollten sich diesbezüglich angesprochen fühlen, da zum Beispiel durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die neue Möglichkeit geschaffen wurde, in einer Lieferkette, an deren Ende ein Verbraucher steht, auch nach Ablauf der unternehmerischen Gewährleistung in Regress genommen zu werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Weber.

Dr. Nikolaus Weber
M.C.J., Rechtsanwalt Attorney at Law (New York), Vereidigter Buchprüfer

Email: nikolaus.weber@roedl.de

 

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