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Die Volkswirtschaften der asiatischen Region bekommen immer mehr Gewicht

Köln, 23.04.2007 14:59 Uhr (redaktion)

Zwar liegt die Kaufkraft in einigen Staaten Asiens noch immer auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. Doch die attraktiven Standortbedingungen und nicht zuletzt der Sog des chinesischen Booms dürften den Wohlstand in Fernost weiter zügig steigen lassen.

Den 27. Februar 2007 werden die Börsianer wohl nicht so schnell vergessen – der chinesische Aktienindex sackte innerhalb eines einzigen Handelstages um fast 9 Prozent ab und löste damit auch in New York, Frankfurt und Co. eine Talfahrt aus, die noch einige weitere Tage für große Verunsicherung sorgte. Schließlich war es das erste Mal, dass eine große Kurswelle nicht von der Wall Street, sondern von Schanghai aus um die Welt rollte.

Dabei passen die jüngsten Ereignisse an den Aktienmärkten durchaus ins Bild des globalen Wirtschaftsgeschehens – angesichts des immer höheren Gewichts, welches die asiatische Region in die Waagschale wirft.

Wirtschaftswachstum Asien
Wirtschaftswachstum Asien (Zur Vergrößerung auf die Grafik klicken)

Von 1980 bis 2006 hat sich das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Asiens verdreifacht. Rechnet man Japan heraus, das lange Jahre mit Finanz- und Wachstumskrisen kämpfte, stieg die Wirtschaftsleistung sogar nahezu auf das Sechsfache.

Verglichen damit erwiesen sich die übrigen großen Wirtschaftsregionen geradezu als wachstumslahm. Die USA und Kanada steigerten ihr gemeinsames BIP in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten preisbereinigt um rund 120 Prozent; die Länder des Euroraums schafften lediglich ein Plus von gut 70 Prozent.

Folglich können sich die asiatischen Staaten heute ein wesentlich größeres Stück vom Weltwirtschaftskuchen abschneiden als zu Beginn der achtziger Jahre. Ihr Anteil am globalen BIP stieg von 17 Prozent im Jahr 1980 auf 22 Prozent 2006 – mit einer höheren Zahl nach dem Komma hat die Region zwischen Indischem Ozean und Pazifik die Euroländer bereits überholt. Die USA und Kanada vereinigten allerdings im vergangenen Jahr 30 Prozent der weltwirtschaftlichen Leistung auf sich und lagen so nach wie vor an der Spitze.

Deutlich relativiert wird der asiatische Aufstieg zudem, wenn man den Blick auf den tatsächlich erreichten Wohlstand richtet.

Asiens Wohlstandsgefälle
Asiens Wohlstandsgefälle (Zur Vergrößerung die Grafik anklicken)

Um Kaufkraftunterschiede bereinigt, konnte das BIP je Einwohner 2006 nur in Hongkong (38.100 Dollar), Singapur (32.900 Dollar), Japan (32.600 Dollar) und Taiwan (30.100 Dollar) mit dem Niveau der großen westlichen Volkswirtschaften mithalten oder diese übertreffen.

Deutschland etwa erreichte im vergangenen Jahr ein Pro-Kopf-Einkommen von 31.100 Dollar; die USA kamen sogar auf 43.400 Dollar. Staaten wie Pakistan und Bangladesch erwirtschafteten dagegen ein BIP je Einwohner von weniger als 3.000 Dollar und müssen damit noch immer uneingeschränkt zu den Entwicklungsländern gezählt werden.

Hält der Trend weiter an, dürften sich die Kräfteverhältnisse in den kommenden Jahren jedoch weiter zugunsten Asiens verschieben. Denn auch in jüngster Zeit standen die Zeichen fast im gesamten Osten auf rasantes Wachstum:


 

Im Zeitraum 2000 bis 2006 legte das reale BIP Chinas jahresdurchschnittlich um rekordverdächtige 9,8 Prozent zu. Die meisten anderen asiatischen Länder erzielten immerhin ein jährliches Plus von teilweise weit mehr als 4 Prozent.


 

Neben dem Reich der Mitte gibt es damit noch eine Reihe weiterer Staaten in der Region, die auf ihre Art und Weise Erfolgsgeschichten schreiben. Einige Beispiele:

Singapur
Dass der nur knapp 700 Quadratkilometer kleine Inselstaat südlich von Malaysia trotz seines bereits hohen Wohlstandsniveaus zuletzt in manchen Jahren noch Wachstumsraten von über 6 Prozent erzielen konnte, ist mehr als beachtlich. Zudem konnten die Singapurer im Jahr 2006 mit einer Arbeitslosenquote von unter 3 Prozent und einer Preissteigerungsrate von lediglich 1 Prozent auftrumpfen.

Angesichts fehlender Bodenschätze sind solche Wirtschaftsdaten nur möglich, wenn das Potenzial der Menschen bestmöglich genutzt wird. Die Regierung des 4,4 Millionen Einwohner zählenden Landes hat daher stets auf wissensintensive Branchen gesetzt. In jüngster Zeit fördert sie verstärkt die Ansiedlung von Biotechnologieunternehmen und Finanzdienstleistern – letztere steuerten 2005 bereits 13 Prozent zum BIP bei. Denn der Wirtschaftsboom der gesamten Region lässt große Geldströme in den südostasiatischen Stadtstaat fließen, zumal der Mix aus politischer Stabilität und hoch qualifizierten Arbeitskräften Singapur zu einem besonders attraktiven Kapitalhafen macht.

Südkorea
Im Gegensatz zum bettelarmen Norden geht es dem Süden der geteilten koreanischen Halbinsel glänzend. Ein jahresdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent zwischen 1990 und 2006 ließ das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-BIP auf fast 24.000 Dollar steigen. Dabei hat der Tigerstaat einen gewaltigen Satz gemacht – vom Hersteller billiger Haushalts- und Elektronikwaren zum Hightech-Standort in den Bereichen Computer, Mobilfunk, Automobile sowie Nano- und Biotechnologie.

Mit dieser Produktpalette sind die Südkoreaner auch im Ausland erfolgreich – von 2000 bis 2005 erhöhten sich die Warenexporte im jährlichen Mittel um mehr als 10 Prozent. Im gleichen Zeitraum steckten die zwischen Gelbem und Japanischem Meer ansässigen Konzerne über 22 Milliarden Dollar in ausländische Töchter und Beteiligungen.

Südkorea setzt aber nicht nur auf Geschäfte mit dem Ausland – mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung entsteht bereits im heimischen Dienstleistungssektor. Dieser Kurs führt offenbar in die richtige Richtung – nicht einmal 4 Prozent der Erwerbspersonen auf der Halbinsel sind ohne Arbeit, und der Staat konnte zuletzt einen Haushaltsüberschuss von mehr als 2 Prozent des BIP verkünden.

Getrübt wird das positive Bild allerdings durch manch fragwürdiges Geschäftsgebaren. So wurden die Büros führender Konzerne, die von mächtigen Gründerfamilien geleitet werden, in den vergangenen Jahren mehr als nur einmal durchsucht – meist aufgrund des Verdachts auf Steuerhinterziehung oder Veruntreuung von Firmengeldern.

Vietnam
Mit etwa 82 Millionen Einwohnern steht das Land am Südchinesischen Meer bevölkerungsmäßig nahezu auf der gleichen Stufe wie Deutschland. In Sachen Wohlstand hinkt es allerdings weit hinterher – mit einer in Kaufkraftparitäten gemessenen Wirtschaftsleistung von 3.400 Dollar je Einwohner 2006 gehört Vietnam auch im asiatischen Vergleich zu den ärmeren Staaten. Noch immer arbeiten fast 60 Prozent der Vietnamesen in der Landwirtschaft.

Mittelfristig könnte sich die Wirtschaftsstruktur aber grundlegend ändern. Denn internationale Investoren sind auf die Rohstoffreserven und die billigen Arbeitskräfte aufmerksam geworden und haben zwischen 2000 und 2005 gut 9 Milliarden Dollar in die sozialistische Republik gepumpt. Das reale BIP Vietnams stieg seit 2000 auch dank der Investoren im Jahresschnitt um nahezu 8 Prozent.

So bunt die Wirtschaftslandkarte Asiens ist – die Zukunft vor allem der kleineren Staaten dürfte eng an die weitere Entwicklung Chinas gekoppelt sein. Wenn immer mehr Unternehmen aus Peking, Schanghai oder Kanton auf die internationalen Märkte drängen, bedeutet das auch für die asiatischen Nachbarn zusätzliche Konkurrenz. Doch in erster Linie birgt der Hunger des chinesischen Drachens nach Rohstoffen sowie neuen Technologien für die Lieferländer zusätzliche Export- und Wachstumschancen. Schon heute sind die Handelswege der Region viel befahren.

Für Hongkong und Südkorea war China 2005 das wichtigste Exportziel. Für sechs andere der großen asiatischen Staaten gehörte die Volksrepublik zu den drei wichtigsten Abnehmern ihrer Produkte.

Noch sind allerdings Maos Nachfahren als Kunden oft weniger bedeutsam als Uncle Sam – Japan, Malaysia und die Philippinen beispielsweise verkaufen nach wie vor die meisten Güter in die USA. Dass fast die Hälfte der Ausfuhren Hongkongs den Weg zum großen nördlichen Nachbarn nimmt, liegt vermutlich nicht zuletzt an seiner Rolle als großer Umschlaghafen der Region.

Quelle: IW Köln

 

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