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Rücktritt von Vizekanzler Franz Müntefering -er setzt Prioritäten

Berlin, 13.11.2007 17:27 Uhr (FS)

Mit dem Rücktritt von Vizekanzler Franz Müntefering und dem offenen Streit über den Brief-Mindestlohn steht die Koalition vor ihrer bislang schwersten Belastungsprobe. Müntefering kündigte am Dienstag seinen Rückzug als Minister und Vizekanzler aus familiären Gründen an, hinter denen die schwere Krankheit seiner Frau steht. Er bleibt aber Bundestags-Abgeordneter und hält sich ein weiteres politisches Engagement in 2008 offen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zollte seiner Entscheidung Respekt. Neuer Arbeitsminister wird der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, neuer Vizekanzler wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden. Dies bestätigte Kurt Beck am Nachmitag in Berlin. Kurz vor Münteferings Rücktritt legten SPD und Union zwar den Streit über das Arbeitslosengeld I bei. Der Streit über den Mindestlohn belastet das Bündnis aber schwerer als bisher.

"Franz Müntefering wird seine Funktionen als Arbeitsminister und Vizekanzler aus ausschließlich familiären Gründen niederlegen", sagte sein Sprecher. Er trat damit auch Vermutungen entgegen, der Rückzug habe mit dem Machtkampf zwischen Müntefering und SPD-Chef Kurt Beck über den Reformkurs der SPD zu tun, in dem Beck sich durchsetzte. Dies deutete FDP-Generalsekretär Dirk Niebel an, der neben familiären auch politische Gründe für den Rücktritt verantwortlich machte.

Offenbar wollte Müntefering mit der Ankündigung die Koalitionsrunde am Montag abwarten. Teilnehmer der nächtlichen Runde sagten, ihm sei seine Entscheidung für den Rückzug nicht anzumerken gewesen. Beim Thema Arbeitslosengeld I habe SPD-Chef Kurt Beck das Wort geführt. Müntefering hatte am vorangegangenen Treffen vor einer Woche wegen der Krankheit seiner Frau nicht teilgenommen und die vergangene Woche weitgehend in Bonn verbracht, wo sie operiert wurde. Er hat in einem früheren Interview gesagt, dass er beim ersten Ausbruch der Krankheit 2002 einen Rücktritt erwogen habe.

SPD und Union bemühten sich, Sorgen über eine Gefahr für die Koalition zu dämpfen. Müntefering galt als Garant der Regierungsfähigkeit und Koalitionstreue der SPD. Mit diesem Selbstverständnis hatte er sich gegen Becks Vorstoß für längere Zahlungen des ALG I gewandt, in dem er eine Abkehr vom Reformkurs der Koalition sah. Er war zudem Merkels Ansprechpartner in der Koordination der Regierungsgeschäfte und informeller Koordinator der SPD-Minister im Kabinett.

Merkel betonte als Reaktion auf Münteferings Ankündigung ihre enge Zusammenarbeit, wollte sich aber politisch zunächst nicht äußern. "Der Respekt und die Anerkennung für unsere gute Zusammenarbeit gebieten das", sagte sie zur Begründung. Beide haben mehrfach die gegenseitige Wertschätzung und die Verlässlichkeit ihrer Beziehung betont. Die Kanzlerin hatte am Montagmorgen von Münteferings Entscheidung erfahren. CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, die Kooperation von Union und SPD sei so stabil, dass der Rücktritt keine Auswirkungen auf das Regierungsbündnis haben werde.

Die SPD bemühte sich durch schnelle Regelung der Nachfolge, keine Spekulationen über eine Schwächung ihrer Position in dem Bündnis aufkommen zu lassen. Scholz gilt bereits seit längerem als Anwärter auf ein Ministeramt; er bringt Erfahrungen als Arbeitsrechtler in das Ministerium, das für das Profil der SPD als soziale Partei eine Schlüsselfunktion auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen hat. Steinmeiers Berufung zum Vizekanzler folgt einem schnellen Aufstieg in der Partei. Beim Parteitag Ende Oktober wurde er zum neuen Vize gewählt, nachdem er zuvor kein Parteiamt hatte.

In Merkels Umfeld hieß es, mit Steinmeier als Vizekanzler könne sich ein ähnliches Verhältnis aufbauen lassen wie zu Müntefering. Allerdings hatte dieser nach seiner Wahl zu Becks neuem Vize die Außenpolitik der Kanzlerin scharf kritisiert. Beck hatte mehrfach betont, dass er nicht in die Regierung wechseln wolle, um das SPD-Profil frei von Kabinettsdisziplin durch Kritik an Merkel schärfen zu können.

Streit um Post-Mindestlohn ärgert Müntefering besonders

In der Bundespressekonferenz am nachmittag in Berlin sagte Müntefering "Er wisse nicht, wer der CDU in Sachen Mindestlohn etwas neues vorschreibt." Die Koalitionsrunde am Montagabend war geprägt von heftigem Streit über den Mindestlohn in der Briefbranche. Die SPD warf Merkel und der Union Wortbruch vor, da die ab Januar 2008 festgeschriebene Öffnung des Postmarkts an die Einführung eines Mindestlohns gekoppelt werden sollte. Die Union lehnte es weiter ab, einen Tarifvertrag der Branche anzuerkennen, durch den ein Mindestlohn von acht bis 9,80 Euro festgeschrieben gesetzlich festgeschrieben werden sollte. Finanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück machte Merkel für das Scheitern verantwortlich: "Die Kanzlerin will keinen Mindestlohn bei der Post." Die Union machte umgekehrt die SPD verantwortlich für das Scheitern der Lösungssuche.

 

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