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Update-Steuerskandal:91 Steuersünder zahlen 28 Millionen Euro

Bochum/Düsseldorf, 15.02.2008 15:58 Uhr (redaktion)

Diese Nachzahlungen erhöhten sich täglich, erklärte Krück. Angesichts der gesamten Steuerhinterziehungs-Vorwürfe spricht er auch nur von "Abschlagszahlungen". Denn die Liechtensteiner Stiftungen, welche die Fahnder überprüfen, verfügen nach den bisherigen Erkenntnissen über weit mehr als 200 Millionen Euro.

26.02.2008
Krück ging auch noch einmal auf die spektakuläre Verhaftung Klaus Zumwinkels ein: Die Staatsanwaltschaft habe das ZDF keineswegs vorab informiert und wisse auch nicht, wie die Nachricht von dem Zugriff nach draußen gelangte. Auch habe die Staatsanwaltschaft nicht zur Selbstanzeige aufgefordert. Dennoch vermeldete Krück den bisherigen Erfolg dieser Aufforderung: 72 Selbstanzeigen gebe es bisher. Ob sie die Geständigen vor Strafverfolgung bewahren, müsse jedoch noch geprüft werden.

Bankdaten wurden unaufgefordert angeboten
Krück nennt keine Namen, dafür jedoch viele Zahlen: Die bisherigen Durchsuchungen betrafen insgesamt etwa 150 Beschuldigte. 34 Fälle verfolge man im Großraum München, 30 in Hamburg, 24 in Stuttgart, 17 in Frankfurt und 15 in ganz NRW. Die Ermittlungen seien durch acht Staatsanwälte und 139 Steuerfahnder des Landes NRW geführt worden.

Kurz ging Krück auf die Vorwürfe ein, die Beschaffung der Bank-Daten aus Liechtenstein sei auf illegalem Weg erfolgt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wurden die Unterlagen den deutschen Behörden unaufgefordert angeboten. Die Ermittler hätten die Beschaffung dieser Unterlagen weder in Auftrag gegeben noch bei der Beschaffung deutsche Gesetze gebrochen. Deshalb gehe die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Unterlagen vor Gericht verwendbar seien.

19.02.2008
Es sei ein "völlig überrissener Angriff" auf einen Kleinstaat, die Fälle so kurz vor dem Besuch des liechtensteinischen Regierungschefs Otmar Hasler am Mittwoch in Berlin publik zu machen. Liechtensteins Justiz ermittelt gegen den Informanten, der dem Bundesnachrichtendienst (BND) Daten über deutsche Steuersünder verkaufte.

Erbprinz Alois äußerte den Verdacht, die Bundesregierung wolle Druck auf sein Land ausüben. "Deutschland löst mit seinem Angriff auf Liechtenstein nicht das Problem mit seinen Steuerzahlern", sagte er. Kritik übte der Staatschef insbesondere an der Zahlung eines Millionenbetrages für die Daten, welche die aktuellen Steuerermittlungen in hunderten Fällen auslösten. Der BND habe dieses Geld an einen "verurteilten Rechtsbrecher" gezahlt, gegen den nun wegen Verletzung des Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslandes ermittelt werde.

SPD-Fraktionschef Peter Struck bezeichnete die Vorwürfe gegen die Bundesregierung als absurd. SPD-Chef Kurt Beck sagte am Rande der Fraktionssitzung im Bundestag, aus den Äußerungen des Erbprinzen spreche "das berechtigte schlechte Gewissen". Liechtenstein sei aufgerufen, sich so zu verhalten, wie es für "gesittete Staaten" geboten sei.

Die deutschen Steuerfahnder setzten ihre Razzien bei deutschen Bankfilialen fort. Ziel war unter anderen die Münchner Niederlassung der Schweizer UBS-Bank, wie eine Sprecherin der "Financial Times Deutschland" sagte. Am Montag waren die Fahnder bereits bei der Dresdner Bank in München vorstellig geworden. Sie waren auf der Suche nach Kontendaten von Bankkunden, die der Steuerhinterziehung verdächtig sind.

Die Behörden Liechtensteins haben nach einem Bericht des "Wall Street Journal" einen konkreten Verdacht zur Identität des Informanten, der Bank-Daten über deutsche Steuersünder an den BND verkauft haben soll. Bei dem Informanten könnte es sich um einen früheren Mitarbeiter der Bank LGT Group handeln, der die Daten in den vergangenen anderthalb Jahren Steuerbehörden in den USA und in anderen Ländern angeboten habe, berichtet die Zeitung unter Berufung auf liechtensteinische Behörden. (AFP)

19.02.2008
Am Montag wurden Geschäftsräume der Privatbank Metzler in Frankfurt und München durchsucht. Ebenso bekam die Münchner Filiale der Dresdner Bank Besuch von Steuerfahndern, während die Konzernzentrale in Frankfurt vorerst verschont blieb. Das bestätigte am Dienstag eine Sprecherin der Bank, ohne Details zu nennen.

Auch die Münchner Niederlassung der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser war ins Visier der Fahnder geraten. Ziel sind Unterlagen von Bankkunden, die im Verdacht stehen, große Geldbeträge in das Fürstentum Liechtenstein transferiert zu haben, ohne sie hierzulande zu versteuern. Liechtenstein ist eines der letzten Steuerparadiese Europas.

Koch für harte Strafen
Öffentlich geworden war die Affäre nach Hausdurchsuchungen beim inzwischen zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel. Der musste einräumen, Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte eine harte Bestrafung der Steuersünder. "Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen - das darf und wird es in unserem Rechtsstaat nicht geben", sagte Koch der "Bild"-Zeitung.

"Wenn jemand aus der Elite sich zu so etwas hinreißen lässt, muss mit der ganzen Schärfe des Gesetzes reagiert werden", sagte Koch. Der Vorgang beschädige das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft. Dieses hänge vom Vorbild der Eliten ebenso ab wie von nackten Wachstumszahlen. Es werde Jahre dauern, den Schaden wieder gut zu machen, so der Ministerpräsident.

Unterdessen drohte Liechtenstein mit rechtlichen Schritten gegen Deutschland. Für das Vorgehen der Bundesregierung habe man überhaupt kein Verständnis, ließ das derzeitige Staatsoberhaupt, Erbprinz Alois, wissen. Einem verurteilten Rechtsbrecher mehrere Millionen für gestohlene Daten zukommen zu lassen, sei in Liechtenstein rechtlich völlig undenkbar, so der Erbprinz. Deutschland werde "mit seinem Angriff auf Liechtenstein nicht das Problem mit seinen Steuerzahlern lösen."

Die deutschen Behörden sollen einem Informanten 4,2 Millionen Euro für eine CD-ROM mit den Daten der Steuersünder bezahlt haben. Dabei handelt es sich vermutlich um den ehemaligen Mitarbeiter einer Liechtensteiner Bank. Auch zwei Berliner Anwälte gehen gegen den deutschen Staat vor. Sie erstatteten Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den Bundesnachrichtendienst. Ziel der Anzeige sei eine rechtliche Überprüfung des Vorgangs, sagte einer der Juristen. Die Bundesregierung habe mit dem Kauf der Disk ihre Pflichten gegenüber den Steuerzahlern verletzt. (HR)

18.02.2008
In einer ersten Welle sollen den Angaben zufolge rund 125 Objekte gefilzt werden. In Fahnderkreisen werde allerdings ernsthaft erwogen werde, die Durchsuchungen auszusetzen, sollte der Medienrummel wie im Fall um den zurückgetretenen Post-Chef Klaus Zumwinkel anhalten. "Wir dürfen doch niemanden vorführen", zitiert das Blatt einen Ermittler.

Für Verärgerung bei den Fahndern hat laut "SZ" die Aufforderung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zur Selbstanzeige von Steuersündern gesorgt. Die Fahnder befürchten demnach, dass sich die Steuersünder jetzt noch eilig ans Finanzamt wenden könnten, um eine Bestrafung abzuwenden.

900 Durchsuchungsbeschlüsse?
Über das ganze Ausmaß des Skandals wird derweil wild spekuliert. So berichteten Süddeutsche Zeitung und Westdeutsche Allgemeine Zeitung von rund 900 Durchsuchungsbeschlüssen gegen 700 mutmaßliche Steuersünder. Doch die Staatsanwaltschaft in Bochum hält sich bedeckt: Am Samstag (16.02.08) sagte deren Sprecher Bernd Bienioßek, es wäre "noch fataler", wenn die Behörde Schwerpunkte bekanntgäbe.

4,2 Millionen Euro für Informanten
Für diesen Erfolg haben die deutschen Behörden offenbar einiges investiert. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zahlten sie rund 4,2 Millionen Euro an den Informanten, der die brisanten Daten aus Liechtenstein lieferte. Das Geld dafür stammte aus dem Etat des Bundesfinanzministeriums. Ministeriumssprecher Torsten Albig bestätigte, dass das Ministerium in den Vorgang eingeweiht war. Anderen Berichten zufolge zapft der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahren leitende Bankmitarbeiter im Fürstentum Liechtenstein an, um Informationen über deutsche Steuersünder zu erhalten.

Demo vor Zumwinkels Privathaus
Unterdessen haben am Sonntag (17.02.08) rund 30 Menschen vor dem Kölner Privathaus von (Noch-)Postchef Klaus Zumwinkel demonstriert. Die als Clowns verkleideten Demonstranten boten symbolisch Steuerschlupflöcher zum Verkauf an. Auf einem Schild forderten sie "Spendet für die armen Reichen". Der Post-Aufsichtsrat wird am Montag (18.02.08) ab 18 Uhr in Bonn zusammenkommen und die Situation des Konzerns erörtern. Als sicher gilt, dass das Gremium den angebotenen Rücktritt Zumwinkels annehmen wird, hieß es aus dem Umfeld des Konzerns. Offen sei hingegen, ob bereits bei dieser Sitzung ein Nachfolger benannt werde oder ob eine endgültige Entscheidung auf die nächste formelle Aufsichtsrats-Sitzung am 4. März verschoben werde. Favorit als Zumwinkel-Nachfolger ist nach Informationen aus Regierungskreisen Logistikvorstand Frank Appel1 (46).

Um Schadensbegrenzung bemüht sich derweil die deutsche Wirtschaft. Industrie-Präsident Thumann sprach sich in "Bild am Sonntag" für eine Ausgrenzung krimineller Wirtschaftsführer aus. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt räumte ein, dass es zu viele Fälle von Manager-Fehlverhalten gebe. Jedoch schränkte er auch ein: "Schwarze Schafe gibt es überall. Das gilt für Priester, Gewerkschafter und Manager". Er hält es für möglich, dass es die Wirtschaft nun schwerer haben wird, mit ihren Forderungen Gehör zu finden.

Mehr Abschreckung notwendig
Bundespolitiker warnen angesichts der Affäre vor schwer wiegenden Folgen für die soziale Marktwirtschaft. Die deutschen Manager müssten sich "ihrer Vorbildfunktion für die Gesellschaft bewusst werden", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos der "Bild am Sonntag". Andernfalls werde die soziale Marktwirtschaft unglaubwürdig.

Das SPD-Präsidium will prüfen, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung erhöht werden sollte. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach von der Notwendigkeit einer "Abschreckung". Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, es dürfe keinen "Freibrief" für Steuersünder geben. Es müsse daher geprüft werden, ob der "Strafrahmen bei Wirtschafts- und Steuerdelikten härter gefasst wird". (WDR)

16.02.2008
Die deutschen Manager müssten sich "ihrer Vorbildfunktion für die Gesellschaft bewusst werden", sagte Glos der Zeitung "Bild am Sonntag". "Andernfalls wird unsere Soziale Marktwirtschaft unglaubwürdig." Die größte Gefahr für die Soziale Marktwirtschaft geht nach Steinbrücks Worten derzeit von den Exzessen und Übertreibungen der Protagonisten selbst aus: "Es sind die Eliten, die das System zum Einsturz bringen."

"Unsere Manager müssen Ethos entwickeln", forderte Glos. Die Wirtschaft müsse "Selbstreinigungskräfte" entwickeln. Auch Steinbrück forderte "die Bildung eines neuen Bewusstseins bei Managern". Mit Blick auf den der Steuerhinterziehung verdächtigten zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel sagte Steinbrück "Zeit online": "Ein Mann dieser Güteklasse muss wissen, was eine eingestandene Steuerhinterziehung in der Wahrnehmung der Bürger bedeutet."

Auch Verdi-Chef Frank Bsirske sieht das Gemeinwesen bedroht. Bei den Menschen greife ein Gefühl tief empfundener Ungerechtigkeit um sich, sagte er der "BamS": "Die Rhetorik der Oberen in den Führungsetagen der Unternehmen passt überhaupt nicht dazu, wie sie sich selbst verhalten. Sie predigen Verzicht für andere und stopfen sich selbst die Taschen voll."

SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck befürchtet durch derartige Skandale eine Stärkung der "politischen Ränder links und rechts", Glos warnte, Deutschland werde "zum Übernahmekandidat für die Linke".

Nach Ansicht des neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, darf ein derartiges Verhalten "keinesfalls als Kavaliersdelikt durchgehen, sondern muss von der Gesellschaft als moralisch verwerflich empfunden werden".

Ex-Post-Chef Zumwinkel versprach, bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen ihn eng mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Die Deutsche Telekom bestätigte, dass Zumwinkel auch sein Aufsichtsratsmandat in dem Telekommunikationskonzern niederlegen wird. Zumwinkel soll laut "Focus" rund vier Millionen Euro an das Finanzamt Köln für seine nicht versteuerten Zinserträge aus der zwölf Millionen schweren Stiftung in Liechtenstein zahlen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bochum und der Bundesregierung sind hunderte mutmaßliche Steuersünder, darunter Prominente, ins Visier der Justiz geraten. Laut "Süddeutscher Zeitung" sollen bis zu 3,4 Milliarden Euro über Geldanlagen in Liechtenstein am Fiskus vorbeigeschleust worden sein.

15.02.2008
Neben Postchef Klaus Zumwinkel wird laut Staatsanwaltschaft gegen mehrere hundert weitere mutmaßliche Steuersünder ermittelt. Die derzeit laufenden Ermittlungen beträfen Geldanlagen hunderter Deutscher, vor allem über Stiftungen in Liechtenstein, teilte die Staatsanwaltschaft Bochum mit. Die Stiftungen seien "augenscheinlich allein zum Zweck der Steuerhinterziehung eingerichtet worden", hieß es. Zumwinkel bot derweil seinen Rücktritt an; ein möglicher Nachfolgers steht noch nicht fest.

Der Bochumer Staatsanwaltschaft liegen eigenen Angaben zufolge Erkenntnisse der Finanzverwaltung vor, denen "eine sehr hohe Beweiskraft" zukomme. Aufgrund der Vielzahl von Fällen, die bundesweit gelagert seien, seien auch die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Köln, die nordrhein-westfälischen Steuerfahndungsstellen sowie die Kriminalpolizei Essen hinzugezogen worden.

Bundeskanzlerin Merkel sei der Ansicht, dass der Fall Zumwinkel Vertrauen koste, sagte ein Regierungssprecher. Sie sei jedoch der Ansicht, dass die ganz große Mehrheit der in der Wirtschaft Verantwortung tragenden Persönlichkeiten ihrer Tätigkeit seriös nachkomme. (AFP)

 

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