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Skandalös: Lidl ließ Angestellte durch Detektive ausspionieren

Hamburg, 26.03.2008 17:29 Uhr (redaktion)

Man fragt sich, was in den Köpfen des Managements eigentlich los ist. Der Lebensmittel-Discounter Lidl hat laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Stern" seine Mitarbeiter systematisch überwachen lassen. Lidl räumt diese Maßnahmen ein.

So sei in vielen Filialen protokolliert worden, welcher Mitarbeiter wie oft zur Toilette gehe oder wer mit wem womöglich ein Liebesverhältnis habe, berichtete das Magazin unter Berufung auf hunderte Seiten interner Lidl-Protokolle. Auch seien Aufzeichnungen zur Fähigkeit der Mitarbeiter sowie zu deren Charakter gemacht worden.

Für die Überwachung hätten von Lidl beauftragte Detektive in den jeweiligen Filialen zwischen zehn und 15 Miniaturkameras installiert. Dem Filialleiter sei dabei erzählt worden, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich hätten die Detektive aber detaillierte Notizen zu den Mitarbeitern gemacht.

Lidl selbst habe dem "Stern" gegenüber die Existenz der Protokolle nicht bestritten, berichtet das Magazin weiter. Sie dienten aber "nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens", zitierte das Magazin eine Lidl-Sprecherin. Zugleich distanzierte sich das Unternehmen dem Bericht zufolge von detaillierten Protokoll-Passagen, die sich auf das Privatleben von Mitarbeitern beziehen. Die "Hinweise und Beobachtungen entsprechen weder im Umgangston noch in der Diktion unserem Verständnis vom Umgang miteinander", zitierte das Magazin eine Lidl-Stellungnahme.

Wie die Financial Times Deutschland berichtet, lief die Überwachung immer nach dem gleichen Muster ab: Montag morgen installierten von Lidl beauftragte Detektive in der jeweiligen Filiale meist zwischen fünf und zehn Miniaturkameras.

Die FTD zitiert den Verdi-Handelsexperte Achim Neumann:
"Er sei zwar einiges gewohnt von Lidl, von solch einer systematischen Mitarbeiterüberwachung aber habe er noch nie gehört. "Diese Dimension ist mir völlig neu."

Der Hamburger Arbeitsrechtler Klaus Müller-Knapp, dem die Protokolle vorab gezeigt wurden, hält sie für "in höchstem Maße skandalös", weil es nicht um Arbeits-, sondern um Verhaltenskontrolle geht. "Das stellt einen klaren Verstoß gegen Artikel zwei Grundgesetz dar, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt."

Mittlerweile räumte Lidl ein, dass in einzelnen Filialen Mitarbeiter möglicherweise mit Überwachungskameras bespitzelt wurden. "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es dazu Aufträge gegeben hat", sagt das Mitglied der Lidl-Geschäftsführung, Jürgen Kisseberth, am Mittwoch in Neckarsulm.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, schließt Ermittlungen seitens der Behörden nicht aus.

(Foto: Ver.di und attac)

 

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