Finanzen Markt & Meinungen Startseite

 

Aktuell: Bahn-Privatisierung - Beck stellt Weichen trotz Widerstände

Berlin, 13.04.2008 18:06 Uhr (redaktion)

SPD-Chef Kurt Beck hat gegen Widerstände der Parteilinken die Weichen für eine abgespeckte Teilprivatisierung der Deutschen Bahn gestellt.

14.04.2008
Vom Personen- und Frachtverkehr sollen nun höchstens 24,9 Prozent statt geplanter fast 50 Prozent an private Investoren verkauft werden. Das 34.000 Kilometer lange Schienennetz und die über 4000 Bahnhöfe bleiben zu 100 Prozent im Bundesbesitz. Anhänger der Privatisierung wie die CDU-Spitze sehen dies als gelungenen Einstieg. Kritiker hoben indes hervor, der Einfluss privater Investoren auf den letzten großen Staatskonzern werde begrenzt.

Die SPD präsentiere ein "ökonomisch absolut verantwortliches und eben auch die Emotionen nicht vernachlässigendes Bahn-Zukunftsmodell", sagte Beck am Montag mit Blick auf Sorgen in der Bevölkerung, eine Privatisierung könnte zur Ausdünnung des Streckennetzes führen. Einige Parteilinke lehnten die Privatisierungspläne zwar prompt ab. SPD-Präsidium und die parteiinterne Arbeitsgruppe stimmten dem Kompromiss aber nach Becks Worten "ohne Gegenstimme und ohne Stimmenthaltung" zu. Das letzte Wort haben SPD-Vorstand und der Parteirat am kommenden Montag. Auch der Koalitionspartner war zufrieden: "Das ist eine vernünftige Grundlage, um jetzt zu einer Bahn-Privatisierung zu kommen", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Mit der Einigung dürfte Beck seinen Führungsanspruch gefestigt haben. Seit dem wochenlangen Streit über seinen Kurswechsel hin zur Linkspartei gilt er als angeschlagen. Die Frage eines Sonderparteitages zur Bahn-Reform, den Beck unter allen Umständen vermeiden wollte, ist nach seiner Einschätzung damit vom Tisch. Der Kompromiss wird auch von seinen drei Stellvertretern Finanzminister Peer Steinbrück, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles mitgetragen. "Das ist ein Wert an sich", sagte ein führender SPD-Politiker.

Steinbrück und Steinmeier sind Befürworter des Teilverkaufs der Bahn und hatten einen früheren Kompromissvorschlag Becks entschieden abgelehnt, den Nahverkehr davon auszuklammern. Aus dem Umfeld Steinmeiers hieß es, er sei mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Der Wert von fast 25 Prozent sei ein sehr guter Einstieg in die Privatisierung, der bei einem Erfolg möglicherweise erhöht werden könne. Auch Steinbrück äußerte sich im Deutschlandfunk "sehr einverstanden mit der Linie".

Rückhalt bekam Beck auch von der Parteilinken Nahles. Der Vorschlag sehe vor, "dass es Geld für die Bahn gibt, aber ohne Einfluss für die Aktionäre". Nahles spielte damit darauf an, dass private Aktionäre ab einer Beteiligung von über 25 Prozent bei wichtigen Entscheidungen eine Sperrminorität hätten. Der Vorschlag greife die wesentlichen Inhalte des Parteitagsbeschlusses vom Herbst auf: Private Investoren bekämen keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Bahn, und es dürfe keine Ausdünnung des Personenverkehrs geben. "Das lässt sich mit diesem Vorschlag gewährleisten", sagte Nahles.

Auf den Weg gebracht hatte Beck die Einigung am Sonntagnachmittag in kleiner Runde mit seinen Stellvertretern und SPD-Fraktionschef Peter Struck. Am Sonntagabend stimmten dem neuen Modell einer Viertelprivatisierung des Betriebs und der Logistiksparte auch die Landes- und Bezirksvorsitzenden der Partei zu. Die Koalitionsspitzen wollen am 28. April beraten.

Der Erlös der Teilprivatisierung soll Beck zufolge zu je einem Drittel dem Bundeshaushalt, dem Eigenkapital der Bahn und neuen Investitionen der Bahn zugutekommen. Beck sprach von einer "nicht unbeachtlichen Milliarden-Summe". In SPD-Kreisen war ein Erlös von drei bis fünf Milliarden Euro im Gespräch.

Die CDU sah die SPD-Einigung auch als ihren Verdienst. "Hätte die CDU nicht Kurs gehalten, wäre Kurt Beck erneut vor den Linken in der SPD eingeknickt", sagte Pofalla. Die Privatisierung von 24,9 Prozent könne eine erste Tranche sein, die in dieser Wahlperiode realisiert werde. Die CDU wolle einen Privatisierungsanteil von 49,9 Prozent und werde darauf drängen, dass eine zweite Tranche "in absehbarer Zeit" realisiert werde.

Pofalla dürfte damit Bedenken der Privatisierungskritiker in der SPD bestärken. Einer ihrer Wortführer, Hermann Scheer, sagte Reuters vor Beratungen der Arbeitsgruppe, es seien noch viele Details zu klären. So sei offen, wie abgesichert werden könne, "dass aus den 24,9 Prozent nicht irgendwann doch mehr wird".

Kritik kam trotz Nahles' Zustimmung aus der SPD-Linken. Ihr Sprecher Björn Böhning sagte Reuters: "Aus meiner Sicht ist das kein Kompromiss, mit dem die Partei so leben kann." Die Gefahr privater Einflussnahme sei nach wie vor zu groß. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zeigte sich skeptisch: "Ich persönlich bin gegen diese Form von Teilprivatisierung. Es ist ein Einstieg, der ist vielleicht kompromissfähig, aber es ist eine Teilprivatisierung."

(reuters)

14.08.2008
Die SPD-Führungsriege hat sich nach Angaben aus Parteikreisen auf ein Modell für die parteiintern heftig umstritte Teilprivatisierung der Deutschen Bahn verständigt.
Vorgesehen sei nun, dass private Investoren an der geplanten Holding für Fahrbetrieb und Logistik höchstens 24,9 Prozent erwerben dürften, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters in der Nacht zum Montag nach fast vierstündigen Beratungen der SPD-Spitze mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden in Berlin. Aus Parteikreisen hieß es weiter, dass damit 75,1 Prozent des Personennah- und -fernverkehrs sowie der Gütersparte in staatlicher Hand blieben. Das Schienennetz bliebe wie geplant zu 100 Prozent in Bundesbesitz.

Ursprünglich war ein Privatisierungsanteil von bis zu 49,9 statt nur 24,9 Prozent vorgesehen. Das Kompromissmodell werde sowohl von den Privatisierungskritikern auf der Parteilinken als auch den Privatisierungsbefürwortern um Finanzminister Peer Steinbrück mitgetragen, hieß es aus Parteikreisen weiter. SPD-Parteichef Kurt Beck habe sich am Sonntagnachmittag mit seinen Stellvertretern Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles sowie Fraktionschef Peter Struck auf dieses Modell verständigt und es am Abend den Landes- und Bezirksvorsitzenden vorgelegt. Es sei sehr klar geworden, dass dieser Weg mehrheitlich befürwortet werde.

Damit werde den Bedenken der Parteilinken Rechnung getragen, dass bei einer weitergehenden Privatisierung private Investoren einen zu starken Einfluss auf die Bahn bekämen, hieß es aus der SPD. Gleichzeitig werde die in der Koalition vereinbarte Teilprivatisierung ermöglicht, die mehrere Milliarden Euro an Investitionsmitteln für die Bahn bringen werde. Mit Blick auf die Union hieß es: "Es wird keinen Verhandlungsspielraum geben."

Die Zukunft der Bahn-Privatisierung ist damit weiter offen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere führende Unions-Politiker hatten am Sonntag das bisherige Holding-Modell befürwortet, das eine Öffnung des Fahrbetriebs und der Gütersparte für private Investoren zu 49,9 Prozent vorsah. Ob die Union einem geringeren Privatisierungsanteil zustimmt, dürfte sich erst im Laufe des Montags zeigen. Ein Hindernis räumte die SPD allerdings aus dem Weg. Die ursprünglich von Beck intern ins Gespräch gebrachte und von der Union ebenso wie von Steinbrück vehement abgelehnte Abtrennung des Nahverkehrs von der Privatisierung ist vom Tisch.

Am Montagnachmittag soll die SPD-Bahnarbeitsgruppe unter Leitung Becks das Konzept verabschieden, das eine Woche später den Parteigremien vorgelegt werden soll. In zwei Wochen soll dann der Koalitionsausschuss entscheiden. Eine Einigung zur Bahn-Privatisierung galt in der SPD auch als Test der Handlungsfähigkeit Becks. Dieser ist seit dem wochenlangen Streit über seinen Kurswechsel hin zur Linkspartei angeschlagen.

(reuters; Holger Hansen)

13.04.2008
Vor Beratungen der Sozialdemokraten in mehreren Spitzenrunden zeichnete sich am Sonntag keine Einigung auf eines der Modelle ab. Parteichef Kurt Beck stieß mit seinem Kompromiss-Konzept, wonach der Nahverkehr komplett im Besitz des Bundes bleiben soll, auf breiten Widerstand. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie halte ein Trennung zwischen Infrastruktur und Verkehr für sinnvoll. "Eine unterschiedliche Behandlung von Nah- und Fernverkehr dagegen nicht". Die Bahngewerkschaft Transnet drohte mit einer massiven Konfrontation, sollte Becks Vorschlag umgesetzt werden.

Merkel sprach sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" für das sogenannte Holding-Modell aus. Dieses sieht vor, dass Schienennetz und Bahnhöfe komplett im Bundesbesitz bleiben, während Nah- und Fernverkehr sowie der Gütertransport zu maximal 49,9 Prozent verkauft werden können. Das sei vernünftig, sagte Merkel und fügte hinzu: "Mit mir wird es in der Koalition nur eine wirtschaftlich vernünftige Lösung für die Teilprivatisierung der Bahn geben." Gelinge eine solche Lösung nicht, gerate der Wachstumskurs der Bahn in Gefahr.

Beck will bis Montagmittag versuchen, seine Partei auf eine einheitliche Linie festzulegen. Zunächst wollte er am Sonntag mit seinen Stellvertretern und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee beraten, bevor die Landes- und Bezirksvorsitzenden einbezogen werden sollten. Am Montag soll die SPD-Arbeitsgruppe unter Leitung Becks ein Konzept verabschieden, das eine Woche später den Parteigremien vorgelegt werden soll. In zwei Wochen würde dann der Koalitionsausschuss entscheiden.

Eine Einigung zur Bahn-Privatisierung gilt in der SPD als Test der Handlungsfähigkeit Becks. Dieser ist seit dem wochenlangen Streit über seinen Kurswechsel hin zur Linkspartei angeschlagen. Vor allem der rechte Flügel setzt darauf, dass er beim Thema Bahn Führungsfähigkeit beweist und die Parteilinke in die Schranken weist. Nachdem seine Stellvertreter Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Steinbrück den neuen Kurs nur mit Zähneknirschen mittrugen, setzen sie nun darauf, dass Beck sie bei der Bahn nicht erneut düpieren kann. Beide sind für das Holding-Modell. Favorit der SPD-Linken ist dagegen das Volksaktien-Modell: Danach dürften sich private Investoren nur über stimmrechtslose Vorzugsaktien mit Garantiedividende an der Bahn beteiligen. Die Union lehnt das ab.

Merkel mahnte eine schnelle Entscheidung an. "Es wäre leichtfertig, wenn wir jetzt die Chance auf eine Lösung vergeben", warnte sie. Verkehrsminister Tiefensee mahnte, die Bahn brauche dringend Geld von privaten Partnern. "Angesichts der Probleme durch den stark wachsenden Güterverkehr im Transitland Deutschland kann ich nur davor warnen, die Privatisierung auf die lange Bank zu schieben", sagte der Sozialdemokrat dem "Handelsblatt" (Montagausgabe). Ein erheblicher Teil der Erlöse solle zur Sanierung von Bahnhöfen, zur Verstärkung des Lärmschutzes und eine bessere Anbindung des Hinterlandes eingesetzt werden, warb er um die Kritiker.

Der Chef der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, forderte Beck auf, sein Bahn-Privatisierungsmodell aufzugeben. Es wäre sinnvoll, das Holding-Modell umzusetzen, sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Becks Modell, den Regionalverkehr aus der Privatisierung herauszunehmen, "wäre ein klarer Bruch mit uns, der zu einer massiven Konfrontation führen würde", warnte das SPD-Mitglied in der "Wirtschaftswoche".

 

» Zur Startseite von Finanzen Markt & Meinungen