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Bundespräsident Köhler nimmt Stellung: Weltfinanzsystem ist ein Monster

Berlin/Frankfurt am Main, 14.05.2008 16:11 Uhr (redaktion)

Ungewöhnlich harte Worte von Köhler. Die Finanzmärkte hätten sich zu einem "Monster" entwickelt, das an die Leine gelegt werden müsse, sagte er dem "Stern".

Die vom US-Immobilienmarkt ausgehende Bankenkrise werde auch in der Realwirtschaft Schleifspuren hinterlassen. Nötig sei eine strengere Regulierung und eine Stärkung des Internationalen Währungsfonds (IWF), auf dessen Chefsessel er früher saß. Die FDP warf ihm vor, Vorurteile gegen die Banken zu nähren.

Köhler äußerte sich ungewöhnlich deutlich zu der Krise, die seit einem Dreivierteljahr zahlreiche Institute ins Schlingern gebracht hat: "Wir waren nahe dran an einem Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte", sagte das Staatsoberhaupt. Man müsse der Finanzwelt einen Spiegel vorhalten: "Sie hat sich mächtig blamiert." Ein klares Schuldeingeständnis vermisse er bisher.

Kapitalismus heiße nicht nur Rendite einfahren, sondern vor allem, mit Risiko umgehen können, sagte der gelernte Ökonom: "Die Überkomplexität der Finanzprodukte und die Möglichkeit, mit geringstem eigenen Haftungskapital große Hebelgeschäfte in Gang zu setzen, haben das Monster wachsen lassen." Dazu gehörten auch bizarr hohe Vergütungen für Finanzmanager. Als Konsequenz sprach er sich für höhere Eigenkapitalstandards bei Finanzgeschäften aus, was auch Finanzminister Peer Steinbrück angeregt hat. Zudem solle der IWF künftig über die Finanzmarkt-Stabilität wachen.

Zur Debatte über eine Konsolidierung der Landesbanken sagte der frühere Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes: "Die meisten Landesbanken haben offensichtlich kein tragfähiges Geschäftsmodell." Die beste Lösung sei, die sieben Institute zu einer zentralen Bank der Sparkassen zu fusionieren. Aber auch die privaten Banken sollten sich "in einer Form konsolidieren, dass wir uns auf sie verlassen können", forderte Köhler.

Der Bundesverband der deutschen Banken wollte sich zu dem Interview nicht äußern. Gemeinhin gilt es als unangebracht, Einlassungen des Staatsoberhauptes öffentlich zu kommentieren.

FDP-Vize Rainer Brüderle nahm dennoch den Ball auf und griff Köhler im "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe) an: "Das Beschwören von Heuschrecken und Monstern verunsichert Sparer, Anleger und Investoren und kann zu fatalen Kettenreaktionen führen." Begriffe aus dem Tier- und Fabelreich brächten eine sachgerechte Diskussion nicht weiter. FDP-Finanzexperte Frank Schäffler nannte es zu wenig, auf die Banken zu zeigen. Auch an anderer Stelle seien Fehler geschehen, etwa bei der Geldpolitik der US-Notenbank Fed oder bei der Bankenaufsicht.

"Dass Banken immer auch etwas gefährliches sind, ist überhaupt nichts Neues", sagte Gerhard Schick von den Grünen. Köhlers Kritik unterstreiche aber, wie wichtig eine funktionierende Bankenaufsicht sei. Gerade der IWF sei mitverantwortlich dafür, dass die Regulierung abgebaut worden sei. Der Finanzpolitiker der Linken, Axel Troost, sagte, es sei sicher interessant, wenn Köhler von einem Monster spreche: "Die Frage ist nur, was passiert?" Nach Auffassung der Linken bedürfe es erheblich mehr Regulierung, mehr Transparenz genüge nicht.

(ThomsonReuters)
(Bild: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

 

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