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Kalte Progression könnte durch eine günstige Reform beseitigt werden

Köln, 06.06.2008 09:54 Uhr (redaktion)

Steuersätze, die schon jenseits des Grundfreibetrags steil ansteigen, und die kalte Progression machen den Bundesbürgern das Leben schwer. Eine Reform, die Ärgernis Nummer eins beseitigt, würde nach IW-Berechnungen schätzungsweise 24 Milliarden Euro kosten. Preiswerter zu haben wäre die Anpassung des Steuertarifs an die Inflationsrate – für 2,5 Milliarden Euro im Jahr.

Es ist jedes Jahr das gleiche Lied:Angenommen die Preise steigen um rund 3,5 Prozent und der Arbeitgeber erhöht das Gehalt um den gleichen Satz, so kann man sich am Ende trotzdem real weniger leisten als vorher. Denn die Steuerschuld für die zusätzlichen 3,5 Prozent steigt bei den meisten Arbeitnehmern mindestens um 5 Prozent. Dafür sorgt der progressive Steuertarif: Jeder Euro mehr auf dem Lohnzettel wird nämlich mit einem höheren Steuersatz belegt (siehe unten). Dieser inflationsbedingte Steueranstieg wird als kalte Progression bezeichnet.

Ein zweites Ärgernis kommt hinzu – der sogenannte Mittelstandsbauch (Grafik). So startet die Steuerpflicht derzeit bei 7.665 Euro – geringere Einkommen bleiben als Existenzminimum steuerfrei. Der linear-progressive Tarif steigt jedoch nicht von 15 bis 42 Prozent gleichmäßig an. Vielmehr geht er bis zu einem Einkommen von derzeit 12.739 Euro steil nach oben. Erst nach diesem Tarifknick verläuft er wesentlich flacher, bis er bei genau 52.152 Euro den Spitzenwert von 42 Prozent erreicht. Von da ab läuft er bis zu einem Einkommen von 250.000 Euro flach weiter. In diesem Bereich müssen also von jedem zusätzlich verdienten Euro 42 Prozent Steuern abgeführt werden. Danach greift die Reichensteuer von 45 Prozent.

Berechnung Einkommenssteuertarif
Berechnung Einkommenssteuertarif

Der Mittelstandsbauch treibt gerade für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen die Steuerlast nach oben. Ihnen bleibt letztlich nur sehr wenig von einer Lohnerhöhung:


 

Ein lediger Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von 30.000 Euro muss – wenn der Solidaritätszuschlag mit einbezogen wird – von seiner Lohnerhöhung bereits knapp jeden dritten Euro an Peer Steinbrück abtreten.


 

Zusammen mit den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung beträgt die Grenzbelastung sogar 52,5 Prozent. Das heißt: Von jedem hinzuverdienten Euro bleiben weniger als 48 Cent in der Tasche des Singles.

Bei einem verheirateten Alleinverdiener mit zwei Kindern, der 30.000 Euro verdient, fällt die Rechnung nur wenig besser aus. Sein Grenzsteuersatz beträgt knapp 23 Prozent. Zusammen mit den Sozialbeiträgen muss er von einer Gehaltserhöhung 43 Prozent an den Fiskus abführen; von einem zusätzlichen Euro kann er also 57 Cent behalten.

Steuerreformer aus den Parteien, aber auch Wissenschaftler fordern deshalb, etwas gegen die kalte Progression und den Mittelstandsbauch zu tun:

Tarifknick beseitigen. Würde man ihn völlig abschaffen und als Tarif eine Gerade von 7.664 Euro bis 52.152 Euro ziehen, müsste z.B. ein Steuerpflichtiger, der mit seinem Einkommen heute direkt auf dem Knick liegt, von der Gehaltserhöhung nur noch 18 statt 24 Prozent Steuern abtreten.


 

Eine solche Reform wäre allerdings teuer – der Fiskus hätte Steuerausfälle von knapp 24 Milliarden Euro zu verkraften.


 

Tarif an die Preise anpassen. Bei einer jährlichen Teuerungsrate von z.B. 2 Prozent müsste man, um die kalte Progression zu beseitigen, den Grundfreibetrag im Jahr 2018 auf 9.342 Euro und den Spitzensatz auf 63.573 Euro festsetzen. Ein solchermaßen allein um den Preisanstieg bereinigter Tarif würde den Bundesfinanzminister gerade einmal 2,5 Milliarden Euro im Jahr kosten.

Erklärung: Grenzsteuersatz
Viele Steuerzahler glauben, sie müssten ihr gesamtes Einkommen zu einem einheitlichen Satz versteuern – beispielsweise 52.152 Euro zu 42 Prozent; das wären 21.903 Euro fürs Finanzamt. Das aber ist ein Irrtum. Wie Geringverdiener bekommen Steuerbürger aus der 52.000-Euro-Klasse den Grundfreibetrag. Damit sind 7.664 Euro von den 52.000 Euro gar nicht zu versteuern. Erst ab 7.665 Euro langt der Fiskus zu, und zwar mit dem Eingangssteuersatz von 15 Prozent. Danach wird es Euro für Euro, den man hinzuverdient, kontinuierlich mehr. Im Knick bei 12.739 Euro gehen von einer Einkommenssteigerung schon rund 24 Prozent weg. Weil sich der Tarif auf den letzten hinzuverdienten Euro bezieht, heißt er Grenzsteuersatz. Setzt man die gesamte Steuerschuld ins Verhältnis zum Einkommen, erhält man den Durchschnittssteuersatz.

(Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft in Köln)

 

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