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Generation Praktikum – Mythos oder regelungsbedürftiges Massenphänomen?

Berlin, 09.06.2008 10:49 Uhr (redaktion)

Eine ganze „Generation“ gut ausgebildeter junger Menschen hangele sich nach Ausbildung oder Studium von Praktikum zu Praktikum - so ein häufiger Vorwurf in Richtung Wirtschaft.

Die Fakten sagen allerdings etwas anderes: Zwei Studien von HIS (Hochschulinformationssystem) und inifes im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zeigen, dass nur 7 Prozent der jungen Berufstätigen und 12 Prozent der Hochschulabsolventen nach ihrem Abschluss überhaupt ein freiwilliges Praktikum leisten. Überdurchschnittlich häufig sind das Absolventen von geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen. Auch wenn also nur wenige betroffen sind, spricht das BMAS von Handlungsbedarf. Es wolle mehr Rechtsklarheit schaffen und den angeblichen Missbrauch von Praktikanten eindämmen.

Was das BMAS plant
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) soll es daher künftig eine Definition für Praktika als „Lernverhältnisse“ geben. Das BMAS will zudem klarstellen, dass Praktikanten ein Anrecht auf „angemessene“ Vergütung haben. Geplant ist außerdem eine aus DIHK-Sicht höchst problematische Beweislastumkehr: Im Streitfall soll der Arbeitgeber im Nachhinein beweisen müssen, dass es sich um ein Praktikanten- und nicht um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat! Genau das stellt sich aber als schwierig dar, denn selbstverständlich werden im Rahmen von Praktika auch Arbeitsleistungen erbracht. Sonst würde man ja auch nichts lernen! Ausschlussfristen, nach deren Ablauf Arbeitnehmer ihre Ansprüche nicht mehr geltend machen können, sollen für Praktikanten überhaupt nicht mehr gelten. Diese Regelung widerspricht jedoch geltendem Arbeitsrecht und würde Praktikanten besser stellen als jeden normalen Arbeitnehmer. Zudem: Praktikantenverträge müssen künftig zwingend schriftlich geschlossen werden, was den bürokratischen Aufwand in den Unternehmen deutlich steigern würde.

Welche Regelungen es bereits gibt
Bereits heute bewegen sich Praktikanten nicht im rechtsfreien Raum. Praktika dienen schon heute per Definition der Ausbildung, und Praktikanten haben nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) ein Recht auf angemessene Vergütung. Arbeitet ein Praktikant über Monate hinweg an denselben Aufgaben in derselben Abteilung, ohne dass er angeleitet wird, läuft der Arbeitgeber auch bisher schon Gefahr, im Rahmen der geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen auf ein Arbeitnehmergehalt verklagt zu werden. Diese Regelungen sind laut BMAS nicht ausreichend bekannt. Warum das BMAS glaubt, angebliche Vollzugs- und Informationsdefizite mit neuen Gesetzen bekämpfen zu müssen, bleibt allerdings völlig unklar.

Wozu neue Gesetze führen
Eine Verschärfung der rechtlichen Regelungen führt dazu, dass Unternehmen in Zukunft viel weniger oder gar keine Praktika mehr anbieten. Das wäre weder im Sinne der Politik noch der Unternehmen und erst recht nicht der Absolventen. Praktika vermitteln dringend notwendige Praxiserfahrung und gleichen damit mangelnden Praxisbezug in der Ausbildung aus. Praktika sind eine Chance: Die Praktikanten erweitern ihre Qualifikationen und finden leichter den Einstieg ins Berufsleben. Dafür spricht auch, dass 80 Prozent der Absolventen ihr Praktikum im Rückblick positiv bewerten.

Praktika nicht verhindern!
Richtig ist, dass Missbrauch von Praktika unterbunden werden muss. Negative Einzelfälle dürfen aber nicht dazu führen, dass gut funktionierende und für alle Seiten vorteilhafte Arrangements verhindert werden. Zusätzliche rechtliche Regelungen sind deshalb der falsche Weg.

Dr. Franziska Pankow, DIHK Berlin

 

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