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Thema der Woche - Mittelstandsinitiative der EU-Kommission

Berlin/Brüssel, 07.07.2008 11:46 Uhr (redaktion)

DIHK Statement: Die EU entdeckt den Mittelstand. Am 25. Juni 2008 hat der für Mittelstandspolitik verantwortliche Kommissar Günter Verheugen den Kommissionsentwurf für einen Small Business Act für Europa präsentiert.

Die europäische Mittelstandsinitiative umfasst eine breite Palette von 92 Maßnahmen, mit denen die EU kleine und mittlere Betriebe stärken will - von Finanzierungserleichterungen über besseren Zugang zu öffentlichen Vergabeverfahren bis zur Förderung der Existenzgründung von Frauen. Wichtig ist, dass der Small Business Act tatsächlich ein Erfolg für den Mittelstand wird – und mehr als eine Worthülse:

Wichtig
Das verkündete Leitmotiv „Vorfahrt für KMU“ müssen sämtliche Entscheidungsträger auf europäischer Ebene ab sofort beherzigen. Die Antidiskriminierungsdiskussion wird hierbei zum Lackmustest: Eine Ausweitung der Gleichbehandlungsregeln auf Zivilrecht, Sozialrecht, Gesundheit oder weitere Bereiche würde den Small Business Act ad absurdum führen, denn neue Bürokratie geht zuallererst zulasten kleiner Unternehmen ohne Spezialabteilungen zur Abarbeitung solcher Formalia.

Richtig
Die EU und die Mitgliedsstaaten müssen den Abbau von Bürokratie konsequent vorantreiben. Dabei sind nicht nur die aktuell gültigen Rechtsakte zu entschlacken - auch alle zukünftigen Verordnungen und Richtlinien müssen so bürokratiearm wie möglich aufgebaut sein. Das Ziel eines EU-Bürokratieabbaus um 25 Prozent bis 2012 versteht der DIHK daher als Nettoentlastung. Europäische Förderprogramme muss die EU konsequent auf schlankere Antragsprozeduren hin überprüfen. Der vorgelegte Kommissionsentwurf kann hier nur ein Zwischenschritt sein.

Fragwürdig
Bei der angekündigten Gründung von European Business Centers in Drittmärkten sollte die EU den Aufbau teurer Parallelstrukturen vermeiden und das Know-how der bestehenden Netzwerke von Auslandshandelskammern und anderen europäischen Partnern nutzen. Im Rahmen unternehmensnaher Public-Private-Partnership-Modelle bieten sie den Unternehmen die Dienstleistungen an, die sie für einen erfolgreichen Markteinstieg benötigen.

Gut
Egal ob in Spanien, Polen oder Schweden - wenn das Statut der Europäischen Privatgesellschaft verabschiedet wird, kann in jedem Land der EU eine Tochtergesellschaft nach gleichem Schema gegründet werden. Informations-, Recherche- und Beratungskosten der Unternehmen im Vorfeld der Gründung einer ausländischen Tochtergesellschaft würden sich ebenso wie der Zeitaufwand reduzieren. Grundsätzlich eine gute Sache. Die Praktikabilität der vorgeschlagen Vorschriften muss allerdings noch im Detail diskutiert werden. Was noch fehlt: Eine Mustersatzung würde die Unternehmen unterstützen und die Kosten für die Gründung von Tochtergesellschaften weiter senken.

Schlecht
Die geplanten reduzierten Mehrwertsteuersätze für regional angebotene arbeitsintensive Dienstleistungen lehnt der DIHK ab. Wettbewerbsverzerrungen, verringerte Innovationsanreize, neue Bürokratie infolge von Abgrenzungsproblemen und vor allem Steuererhöhungen an anderer Stelle wären die Folge. Letztlich ist der Small Business Act eine Nagelprobe dafür, ob die EU die Sorgen der über 23 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in Europa wirklich ernst nimmt. Viele Unternehmer spüren die von der EU in den letzten Jahren auferlegten Lasten – wie die kosten- und bürokratieträchtigen Richtlinien zu Feinstaub, Antidiskriminierung, Chemikalien (REACH) – stärker als die Erleichterungen etwa durch Euro oder EU-Erweiterung. Die aktuelle EU-Initiative muss dem Mittelstand Schwung geben, um Wachstum und Beschäftigung voranzutreiben – aber auch, um das Ansehen der EU im Mittelstand zu stärken.

Annika Böhm, DIHK Berlin.
Dr. Marc Evers, DIHK Berlin.
Dr. Volker Ressler, DIHK Brüssel.

 

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