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Längere Verfolgbarkeit von Steuerstraftaten

Nürnberg, 15.07.2008 16:26 Uhr (redaktion)

Von Christine Varga (Rödl & Partner). Die jüngsten pressewirksamen Vorkommnisse ließen die Rufe nach längerer Verfolgbarkeit von Steuerstraftaten lauter werden. Während Steuerstraftaten bislang gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB nach fünf Jahren verjähren, sieht der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2008 nun eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung auf zehn Jahre vor. Steuerfahnder hatten einen solchen Schritt angesichts vieler unerledigter Fälle bereits seit Längerem gefordert.

Nach ersten Stellungnahmen der „Väter“ des Entwurfs sei dies eine erforderliche Maßnahme, um „nicht zuletzt angesichts der jüngsten Fälle von Steuerhinterziehung, den Steuerbetrug einzudämmen.“.

Des Weiteren soll mit dem Referentenentwurf „eine grundsätzliche Parallelität zwischen Festsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher Verfolgungsverjährung herbeigeführt werden.“.

Fraglich ist allerdings, ob die beabsichtigte Ausweitung der Strafverfolgungsverjährung nicht neue Wertungswidersprüche schafft, anstelle bestehende zu beseitigen.

Insbesondere wird eine mögliche Klärung des vorgeworfenen Sachverhalts durch die verstrichene Zeit bis zur Entscheidung kaum mehr möglich sein. Dies soll auch folgendes Beispiel verdeutlichen: Ein Steuerpflichtiger gibt im September 2006 eine fehlerhafte - da unvollständige - Steuererklärung ab; der Einkommensteuerbescheid ergeht am 4. November 2006. Während die strafrechtliche Verfolgungsverjährung nach bisherigem Recht mit Ablauf des 3. November 2011 eintreten würde, verlängert sich die Verjährung durch die Regelung des Referentenentwurfs bis zum 3. November 2016. Noch drastischere Auswirkungen hätte ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, der z. B. am 15. Dezember 2011 ausgefertigt werden würde, da erst zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungsbehörden Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit erlangten. Dieser unterbricht den Lauf der Verfolgungsverjährung, d. h., die Verjährung beginnt vollständig von Neuem. Erst mit Ablauf des 14. Dezember 2021 würde dann Verjährung eintreten. Welche Auswirkungen eine derart lange Zeitspanne auf Sachverhaltsermittlungen sowie das Auffinden von entlastenden Unterlagen haben wird, kann man leicht erahnen.

Die Argumentation des Referentenentwurfs, wonach durch die Neuregelung ein Gleichlauf der strafrechtlichen Verjährungsfrist mit der steuerrechtlichen Festsetzungsfrist erreicht werden soll, überzeugt keineswegs. An einem solchen Gleichlauf fehlt es auch in anderen Rechtsgebieten und wird durch eine Vielzahl unterschiedlicher Verjährungsfristen in verschiedenen Gesetzen unterstrichen. Dies wäre z. B. aufgrund der unterschiedlichen Intention des Strafgesetzbuches und des Bürgerlichen Gesetzbuches geradeso, als würde man „Äpfel mit Birnen vergleichen“. Der unterschiedliche Lauf der Verjährungsvorschriften ist damit kein Wertungswiderspruch, sondern eher der gesetzliche Regelfall.

Entgegen der dokumentierten Absicht des Bundesfinanzministeriums hätte die Neuregelung faktisch eine Strafschärfung zur Folge. Zwar ist nach dem Referentenentwurf eine Erhöhung des Strafmaßes nicht beabsichtigt, dennoch sind durch die Ausweitung der Frist im Ergebnis höhere Strafen zu erwarten, da sich der für die Berechnung des Verkürzungsschadens maßgeblich relevante Zeitraum verlängert.

Die neue Regelung der Strafverfolgungsverjährung soll nur für Steuerstraftaten gelten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährt sind. Diese Anforderung geht allerdings nur aus der Begründung des Referentenentwurfs zum Jahressteuergesetz 2009 hervor; eine explizite gesetzliche Regelung des zeitlichen Anwendungsbereiches ist in dem Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz selbst nicht enthalten. Die tatsächlichen Beweggründe des Gesetzentwurfs lassen sich jedenfalls nicht verbergen: Zwar wird die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist als Maßnahme „zur Verhinderung von Steuerausfällen“ und „zur Sicherung des Steueraufkommens“ bezeichnet, tatsächlich soll den Finanzbehörden und insbesondere den Steuerfahndungsbehörden zukünftig (noch) mehr Zeit eingeräumt werden, um ihre Ermittlungen führen zu können.

Letztlich bleibt abzuwarten, inwieweit dieser Entwurf unter amderem im Hinblick auf eine Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung tatsächlich in Gesetzesform umgesetzt werden wird.

Christine Varga
Rechtsanwältin
+49 (9 11) 91 93-12 34

 

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