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Internet-Überwachungspläne gefährden Grundrecht auf Informationsfreiheit

Berlin/Brüssel, 18.07.2008 14:00 Uhr (redaktion)

Statement vzbv. Europaparlament entscheidet über Telekommunikations-Gesetze: Auch das Abschalten der Internet-Verbindung nicht ausgeschlossen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt vor den EU-Plänen einer weiteren Ausweitung der Kontrolle im Internet. Wenn es nach dem Willen der Musikindustrie und einiger EU-Abgeordneter geht, sollen künftig Internetserviceprovider ihre Kunden überwachen und beim wiederholten Herunterladen illegaler Inhalte die Internetverbindung kappen können. "Die Ideen zur zwangsweisen Abschaltung des Internetzugangs sind völlig unverhältnismäßig und inakzeptabel", sagt Vorstand Gerd Billen und ergänzt mit Blick auf die jüngste Abhöraffäre der Telekom: "Wenn die EU-Pläne umgesetzt werden, ist morgen Gesetz, was gestern noch ein Skandal war." Mit solchen Überwachungsmaßnahmen würde sich die Europäische Union von der Netzneutralität verabschieden und ein Internet-Überwachungsregime etablieren.

Nach ersten Berichten über die gestrigen Abstimmungsergebnisse in den beiden federführenden Ausschüssen des Europaparlaments fand die verdachtsunabhängige Internetüberwachung keine Mehrheit. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert nun ein klares Bekenntnis des Parlaments gegen das französische Modell, das ein Abschalten der Internetverbindung nach wiederholter Zuwiderhandlung gegen das Urheberrecht vorsieht. "Auch wenn uns das Votum der Ausschüsse zuversichtlich stimmt: Die Kuh ist noch nicht vom Eis", kommentiert Billen. Wenn sich am Ende ein Überwachungsregime durchsetzen würde, sei das Vorhaben der Kommission zur Verbesserung des Verbraucherschutzes ad absurdum geführt. Die entscheidende Parlamentssitzung wird für den 2. September 2008 erwartet.

Eigentlich ging es der EU-Kommission bei ihrer Gesetzesinitiative primär um eine Verbesserung des Verbraucherschutzes in der Telekommunikation. Doch dann kamen aus den Reihen des Europäischen Parlaments zahlreiche Änderungsanträge zur Verschärfung der Internetüberwachung. Wenn diese Realität würden, müssten die Internetserviceprovider ihre Kunden ständig kontrollieren, um beim Abruf illegaler Inhalte einschneidende Sanktionsmaßnahmen bis zum Abschalten der Internetverbindung zu ergreifen. "Damit wären die Internetserviceprovider nicht mehr nur neutrale Übermittler von Internetinhalten, sondern würden unfreiwillig zu Hilfspolizisten der Medienindustrie degradiert", so Billen.

Eine allgemeine Internetüberwachungspflicht bezeichnet der Verbraucherzentrale Bundesverband als massiven Eingriff in die Informationsfreiheit und unverhältnismäßige Reaktion auf Urheberrechtsverletzungen im Internet. "Anstelle immer schärferer Kontroll- und Sanktionsforderungen sollte die Medienindustrie endlich dazu übergehen, nutzerfreundlichere Kopierschutzsysteme zu entwickeln", sagt Gerd Billen. Denn viele, die in der Vergangenheit digitale Inhalte legal erworben hatten, wurden häufig enttäuscht: Trotz der gesetzlich erlaubten Privatkopie verhindern Kopierschutzmaßnahmen nicht selten die Nutzung ganzer Datenträger (CD, DVD). Der Verbraucherzentrale Bundesverband streitet seit Jahren für ein Recht auf Privatkopie und für ein anwenderfreundliches digitales Rechtemanagement (DRM).

 

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