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Chinas Schattenseiten - boomende Wirtschaft und arme Bevölkerung

Köln, 04.08.2008 09:34 Uhr (redaktion)

Die chinesische Wirtschaft läuft auf Hochtouren. Vor allem der inländische Konsum sowie die Investitionen haben das Wachstum angetrieben. Trotz der flaueren Konjunktur in anderen Teilen der Welt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt Chinas auch 2008 um bis zu 10 Prozent zulegen. Doch weder dies noch der Glanz der Olympischen Spiele können die Probleme im Reich der Mitte überdecken, zu denen nicht zuletzt das starke Wohlstandsgefälle zählt.

Wenn in China ab dem 8. August Sportler aus aller Welt um olympische Ehren wetteifern, erwarten viele Beobachter, dass die Gastgeber am Ende in der Medaillenwertung ganz vorne stehen. In der Disziplin Wirtschaftswachstum hätte das Reich der Mitte bereits einen Treppchenplatz verdient. Denn kaum ein anderes Land hat sich zuletzt so rasant entwickelt:


 

Von 1990 bis 2007 legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Chinas im Jahresdurchschnitt um 10,3 Prozent zu – mit umgerechnet 1.285 Milliarden Dollar ist es heute mehr als fünfmal so hoch wie zu Beginn der neunziger Jahre.


 

Zum Vergleich: Die USA brachten es im selben Zeitraum nur auf 2,9 Prozent jährliches Wachstum. Und Deutschland verzeichnete sogar lediglich ein Plus von 1,7 Prozent per annum.

Das hohe ökonomische Tempo ließ den Lebensstandard der Chinesen insgesamt kräftig steigen – seit 1990 ist das reale BIP je Einwohner, um internationale Kaufkraftunterschiede bereinigt, von 800 Dollar auf 5.300 Dollar geklettert. Zwar ist dies verglichen mit dem deutschen Wert von 34.200 Dollar noch bescheiden. In vielen Bereichen kann die chinesische Wirtschaft im globalen Rennen aber schon bestens mithalten. So macht etwa im Bankensektor die Konkurrenz aus Fernost den durch die Finanzmarktkrise gebeutelten amerikanischen und europäischen Wettbewerbern mächtig Beine:


 

Gemessen am Börsenwert kommen von den fünf größten Geldhäusern der Welt mittlerweile drei aus China.


 

Gefüttert wurde der asiatische Drache in den vergangenen Jahren auch vom Ausland. Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Arbeitskosten sind allein zwischen 2000 und 2006 im Schnitt jährlich 57 Milliarden Dollar an Unternehmensinvestitionen nach China geflossen. Die damit aufgebauten Industriekapazitäten haben dem Land am Jangtse-Fluss einen beispiellosen Exportboom beschert – in den vergangenen fünf Jahren expandierten die Ausfuhren im jährlichen Mittel um 30 Prozent.

Skeptiker befürchten nun, dass gerade der große Exportsektor den chinesischen Aufschwung bedroht. Hintergrund ist die mögliche Rezession in den USA. Sie sind der wichtigste Handelspartner Chinas – rund 21 Prozent der Ausfuhren wurden zuletzt an Uncle Sam verkauft. Ein Konsumeinbruch in den Vereinigten Staaten könnte daher der chinesischen Wirtschaft einen herben Dämpfer verpassen.

Ein genauer Blick auf das Wirtschaftswunder à la Peking zeigt aber, dass die Bedeutung des Außenhandels eher überschätzt wird (Grafik):

Entwicklung Bruttoinlandsprodukt in China
Entwicklung Bruttoinlandsprodukt in China


 

Seit 1990 haben vor allem die Investitionen sowie der Konsum zur Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts beigetragen. Der grenzüberschreitende Handel gab dagegen kaum Wachstumsimpulse.


 

Die Erklärung: In den vergangenen Jahren boomten nicht nur die Exporte, sondern auch die Importe – seit 2002 sind sie um jahresdurchschnittlich 26 Prozent geklettert. Dahinter steckt wiederum, dass die hungrige chinesische Wirtschaft immer mehr importierte Energie, Rohstoffe etc. benötigt. Zudem wächst mit den steigenden Einkommen die Nachfrage nach höherwertigen ausländischen Gütern wie Autos, Möbel usw.

Trotzdem dürften Wirtschaftskrisen im Ausland das Reich der Mitte nicht völlig kaltlassen. Denn wenn die chinesischen Exportfirmen schlechtere Geschäfte machen, können sie im eigenen Land weniger investieren, und sie müssen Beschäftigung abbauen – was den privaten Konsum und damit die Konjunktur schwächt. Wirtschaftsexperten gehen allerdings davon aus, dass diese Einflüsse vorerst nicht zu einem Wachstumseinbruch führen werden. Vielmehr stehen die Chancen gut, dass das reale BIP auch 2008 wieder ein Plus nahe der 10-Prozent-Marke verbuchen wird.

Durchweg olympiareif ist die chinesische Volkswirtschaft deshalb aber noch nicht – einige Schwachstellen drohen die Leistungsfähigkeit des Landes in den kommenden Jahren sogar erheblich zu mindern:

Chinas Olympiastädte
Chinas Olympiastädte


 

In Shanghai, wo einige Fußballspiele ausgetragen werden, betrug das nominale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner im Jahr 2006 immerhin 9.500 Dollar – in Shenyang, ebenfalls Fußballturnierort, waren es lediglich 4.500 Dollar.


 

Dieser Wert liegt allerdings immer noch merklich über dem chinesischen Durchschnitt von 2.000 Dollar. Und wer ins Landesinnere reist, wird vielerorts weiterhin echte Armut vorfinden. Die Provinzen Gansu oder Guizhou etwa erwirtschafteten 2006 gerade einmal ein BIP pro Kopf von 1.100 bzw. 700 Dollar.

(Quelle: IW Köln)

 

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