Um die Zukunft Hongkongs geht es bei der Finanzmarktanalyse von Natixis Global Asset Management. Wie wirken sich unvorhersehbare politische Ereignisse auf die Finanzmärkte aus? Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
21.11.2014 10:14 Uhr
FINANZTHEMA CHINA

Asiatische Finanzmärkte: Der Kampf um die Zukunft Hongkongs

Frankfurt/Main, 21.11.2014 10:14 Uhr (Gastautor)

Pro-Demo­kra­tie-Demons­tranten der Occupy-Central-Bewe­gung blockieren das zentral gele­gene Geschäfts­viertel in Hong­kong. Könnte eine mögliche Insta­bi­lität inter­na­tio­nale Inves­toren dazu veran­lassen, ihre Akti­vi­täten an einen anderen Markt – etwa nach Singapur zu verlegen? Eine Analyse von Natixis Global Asset Mana­ge­ment.

Seit Ende September blockieren Pro-Demokratie-Demonstranten der „Occupy-Central-Bewegung“ das zentral gelegene Geschäftsviertel in Hongkong. Von der Kommunistischen Partei Chinas fordern sie, die 1997 zugesagten demokratischen Wahlen jetzt zu ermöglichen. Damals hatte die Partei nach der Rückgabe von Hongkong durch die Briten freie Wahlen versprochen. Obwohl die Demonstrationen an die Studentenproteste auf dem Tian'anmen-Platz vor 25 Jahren erinnern mögen, verlaufen die Auseinandersetzungen mit den Polizeikräften vergleichsweise gewaltfrei. Die Unsicherheit um die Zukunft Hongkongs beunruhigt die dortige Bevölkerung aber ebenso sehr wie die internationale Finanzwelt.

Werden die Forderungen der Demonstranten nach freien, direkten Wahlen im Jahr 2017 die Macht des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping beeinträchtigen? Könnte eine mögliche Instabilität internationale Investoren dazu veranlassen, ihre Aktivitäten an einen anderen Markt – etwa nach Singapur – zu verlagern? Und welchen Schaden hat der Ruf des Finanzsektors Hongkongs davongetragen? Dazu äußern sich Experten für Schwellenländerinvestments von Natixis Global Asset Management.

Jörg Knaf, Executive Managing Director - DACH Countries Member of NGAM International Executive Committee Natixis Global Asset Management

Während Anleger an der Shanghaier Börse zufrieden auf das laufende Jahr zurückblicken können, ist Hongkong, das Tor zu China, erneut ein Beispiel dafür, wie unvorhersehbare politische Ereignisse sich auf die Finanzmärkte auswirken können. Dies spricht dafür, sich einer Vielfalt unkorrelierter Anlageklassen zu bedienen, anstatt sich von irgendwelchen Indizes oder Benchmarks (ver-)leiten zu lassen. Oder anders gesagt: Mit einem Multi-Asset-Absolute-Return-Ansatz kann man sicher gehen, nicht alles auf eine Karte zu setzen.

François Théret, Chief Investment Officer Absolute Asia Asset Management

Peking wird vermutlich einer Reform des jetzigen Wahlrechts in Hongkong nicht zustimmen wollen. Schließlich erklärten Regierungsvertreter erst kürzlich, dass nationale Grundprinzipien nicht verhandelbar seien. Damit könnten sich die Proteste zu einer langwierigen Angelegenheit entwickeln. Das einzig mögliche Zugeständnis könnte darin bestehen, die Zusammensetzung des Nominierungsausschusses nach der 2017 anstehenden Wahl des Regierungschefs zu überprüfen. Dies könnte gegebenenfalls die Grundlage für eine langfristig umzusetzende Wahlrechtsreform bilden.

Die kurzfristigen Schäden für die Wirtschaft zeigen sich jedoch bereits jetzt: Das Wirtschaftswachstum Hongkongs geht schon seit 2013 zurück. Die jüngsten Entwicklungen dürften diesen Abwärtstrend noch verstärken. Die Umsätze im Einzelhandel sowie im Tourismus sind von dieser Entwicklung ebenso stark betroffen. Beispielsweise hat China Gruppenreisen nach Hongkong eingestellt. Laut der „Hong Kong Retail Management Association“ sind die Einzelhandelsumsätze während der sogenannten chinesischen „Goldenen Woche“ vom 1. bis zum 5. Oktober zweistellig zurückgegangen. Die Wirtschaftsvereinigung meldete zudem hohe Umsatzeinbußen von 40 bis 50 Prozent bei Restaurants und Einzelhändlern in den zentral gelegenen Geschäftsvierteln von Hongkong. Einige Uhren- und Schmuckläden im Zentrum mussten sogar einen Rückgang von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr hinnehmen. Die Auswirkungen auf den Finanzdienstleistungssektor und den Warenhandel hielten sich jedoch in Grenzen.

Die entscheidende Frage ist nun: Gefährden die derzeit laufenden Proteste das langfristige wirtschaftliche Potenzial dieser Stadt? Bereits seit einigen Jahren ist das produzierende Gewerbe als Wirtschaftsfaktor für Hongkong weggefallen. Darüber hinaus ist mit Blick auf den Warenhandel, den Tourismus sowie auf die Finanzgeschäfte bereits im vergangenen Jahrzehnt eine rasante Integration in die Wirtschaft Festlandchinas erfolgt. Die große Bedeutung Festlandchinas für die Finanzdienstleistungsindustrie Hongkongs ist auf eine Vielzahl finanzieller Verflechtungen zurückzuführen. Diese haben sich aus der schnell voranschreitenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs in China sowie aus der politischen Vorzugsbehandlung von Hongkong ergeben.

Am Status von Hongkong hat sich nichts geändert: Hongkong ist und bleibt ein bedeutender globaler Finanzplatz mit einem hohen Maß an Rechtsstaatlichkeit und mit einer zunehmend engeren Kooperation mit anderen internationalen Finanzzentren. Dabei ist Festlandchina für Hongkong ebenso wichtig, wie Hongkong für China unverzichtbar bei der Umsetzung seiner derzeitigen Reformagenda ist. Schließlich ist Hongkong das zentrale Testgebiet für fast alle politischen Maßnahmen, mit denen Peking eine weitere Öffnung Chinas anstrebt. Dazu zählen auch das aktuelle „RMB Qualified Foreign Institutional Investors“-Programm sowie das anstehende Pilotprojekt „Shanghai-Hong Kong Stock Connect“. Dank seiner Vorreiterrolle konnte sich Hongkong eine wichtige Quelle schnell wachsender Finanzeinnahmen aus ausländischen Geschäften in der Währung Yuan sichern. Damit hat Hongkong nach wie vor einen deutlichen Vorsprung vor anderen Börsenplätzen, wie Singapur, London oder Frankfurt.

Die aktuelle Situation in Hongkong wird aber den Reformprozess in China nicht bremsen. Vielmehr spielt Hongkong als bedeutender und internationaler Finanzknotenpunkt dabei auch weiterhin eine entscheidende Rolle.

Michael McDonough, Emerging Markets Analyst Loomis, Sayles & Company

Hongkong ist aus unserer Sicht nach wie vor die Finanzhauptstadt Asiens, exklusive Japan. Die Proteste der vergangenen Wochen zeigen jedoch auch deutlich, wie eng die Verflechtungen zwischen Hongkong und Festlandchina sind. Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, wie sich diese gewaltige Metropole mit acht Millionen Einwohnern und den 1,4 Milliarden Menschen in Festlandchina künftig positionieren wird. Peking ist die politische Hauptstadt und Shanghai die Industriehauptstadt. Hongkong galt bisher als Finanzhauptstadt und Börsenplatz für internationale Investoren oder sogenannte „Offshore-Anleger“. Von der zuvor erwähnten neuen „Shanghai-Hong Kong Stock Connect“-Initiative dürften Hongkong und Shanghai gleichermaßen profitieren, ebenso wie das ganze Land. Wir rechnen auch mit positiven Auswirkungen für chinesische und internationale Investoren. Auf mittlere Sicht könnte Hongkong dabei allerdings an Dominanz einbüßen. Unserer Meinung nach wird Hongkong allmählich in China aufgehen, und internationale Investoren dürften künftig einen leichteren Zugang zum Onshore-Markt erhalten.

Könnte Singapur zum führenden Investmentknotenpunkt Asiens aufsteigen?

Die Marktkapitalisierung von Hongkong und Singapur beläuft sich – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – auf jeweils 422 Prozent und 144 Prozent. Dieser Anteil ist wesentlich höher als bei allen anderen Märkten weltweit – einschließlich der USA und Chinas. Beide Städte sind zweifellos pulsierende Geschäftsmetropolen, beide tragen zum boomenden und überdurchschnittlichen Wachstum Asiens bei und profitieren auch davon.

Dem Singapur-Dollar sind die jüngsten Turbulenzen in Hongkong zugutegekommen. Anleger und Unternehmen, die einen lukrativen Standort in Asien suchen, schätzen die innovativen Programme der Regierung in Singapur. Diese Initiativen seitens der Regierung sollen internationale Investoren anlocken. Darüber hinaus herrscht in Singapur zweifellos Rechtsstaatlichkeit: Dagegen ist es für Anleger in Hongkong vergleichsweise schwierig, ihre Ansprüche gegenüber Festlandchina durchzusetzen.

Singapur gilt als wohlhabendes Land mit hoher Lebensqualität und einem vorbildlichen Sozialsystem. Auch wegen seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu den aufstrebenden ASEAN-Staaten Indonesien, Indien und Malaysia ist Singapur äußerst attraktiv. Dank dieser positiven Faktoren ist Singapur in geschäftlicher Hinsicht eine auf mittlere Sicht ernst zu nehmende Konkurrenz für Hongkong.

Anmerkung:

Die „Shanghai-Hong Kong Stock Connect“-Initiative ist ein Programm, das ausländischen Investoren über den Börsenplatz Hongkong Zugang zu 568 in Shanghai börsennotierten Aktien (den sogenannten A-Werten) ermöglicht. Im Gegenzug werden chinesische Anleger nach der Einführung dieses Systems Ende 2014 die Möglichkeit haben, in Hongkong börsennotierte Aktien (sogenannte H-Werte) zu handeln.

Das „RMB Qualified Foreign Institutional Investors“-Programm ist eine Initiative, die ausgewählten lizenzierten internationalen Investoren Zugang zu Börsenplätzen in Festlandchina verschafft. Das „Qualified Foreign Institutional Investors“-Programm (kurz: „QFII“) wurde in der Volksrepublik China bereits 2002 eingeführt, um ausländischen Investoren den Zugang zu den Börsenplätzen Shanghai und Shenzhen zu ermöglichen. Aufgrund der strengen Kapitalkontrollen in China konnten ausländische Investoren an chinesischen Börsenplätzen vor der Auflegung des QFII-Programms keine Aktien kaufen oder verkaufen. Seit der Einführung des QFII-Programms dürfen zugelassene Investoren auf Yuan laufende A-Werte erwerben und veräußern. Allerdings wird der Zugang ausländischer Investoren zu diesen Papieren durch spezielle Quoten reglementiert. Sie legen den Betrag fest, den lizenzierte ausländische Anleger an den chinesischen Kapitalmärkten investieren dürfen.

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