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Stellungnahme von Dr. Werner Langen MdEP zur Campact-Kampagne Finanzmarktgesetz

Dokument: Rheinland, 26.06.2012 19:34 Uhr (EU Redaktionsteam)

Vor dem Hintergrund des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Regulierung von Börsenhandel und Finanzinstrumenten hat die Internetorganisation "Campact" zusammen mit anderen Organisationen eine Internetkampagne zu Nahrungsmittelspekulationen gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Markus Ferber, Berichterstatter im Wirtschaftsausschuss des EP, und Dr. Werner Langen gestartet.

Mit dem Essen zockt man nicht! - so lautet die Kampagne auf der Internetplattform "Campact" (Campaign & Action).

Aus dem Inhalt: "Hunger und Unterernährung sind weltweit wieder auf dem Vormarsch. Eine zentrale Ursache: Investmentfonds und Banken treiben mit Spekulationsgeschäften weltweit die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais, Soja und Weizen in die Höhe.

Jetzt gibt es die Chance, endlich die Zockerei auf Kosten der Ärmsten zu stoppen: Demnächst entscheiden die EU-Finanzminister, ob spekulative Geschäfte auf den Agrarmärkten endlich gestoppt werden. Frankreich setzt sich vehement hierfür ein – und Schäuble? Schweigt!"

E-Campaigning: Dr. Günter Metzges

Dr. Werner Langen - Stellungnahme zu Campact-Kampagne: Finanzmarktgesetzgebung und Agrarmarktspekulationen Warum die Campact-Kampagne ins Leere läuft.

"Unter der irreführenden Überschrift „Mit dem Essen zockt man nicht“ versucht die von vorwiegend linken Institutionen gegründete Internetplattform „Campact“ mit Sitz in Niedersachsen und Berlin Kampagnen gegen verantwortliche Politiker zu starten, die nicht Grünen und Kommunisten nachlaufen, sondern auf der Grundlage christlicher Werte und Überzeugungen und konkreter Fakten Politik gestalten wollen. Dabei kommt es nicht auf die wahrheitsgetreue Darstellung von Zusammenhängen an, sondern auf die Eignung von unbelegten Behauptungen für die Kampagnefähigkeit und den eigenen Geschäftszweck.

In der Aktion, die Campact u.a. gegen mich gestartet hat, wird behauptet: „Der Druck der Finanzlobby auf ihn ist groß – Details seiner Streichung des Positionslimits finden sich in einem Lobbypapier“.

Die Behauptung, der Druck der Finanzlobby auf mich sei groß, ist an den Haaren herbeigezogen, völlig falsch und durch meine bisherige Arbeit etwa als Berichterstatter bei der Derivateregulierung eindeutig widerlegt. Im Gegenteil: Ich bin nachweisbar für eine schärfere und sehr strenge Regulierung und lasse mich davon von niemandem abbringen, auch nicht von Internet- und Unterschriftenaktionen linker und/oder gut meinender Organisationen. Die Finanzlobby hat sich nicht gegen Positionslimits ausgesprochen, wahrscheinlich, weil sie weiß, dass dies nicht helfen wird, die Spekulationen wirksam einzudämmen.

Ich bitte Sie, die Argumente im folgenden Text zu lesen und in Ihr Urteil einzubeziehen.

In der Vergangenheit gab es nur relativ geringe Preisschwankungen auf den internationalen Agrarmärkten. Diese Preise schwankten um den langfristigen, eher nach unten gerichteten Trend mit gelegentlichen Ausschlägen. Gute Ernten wurden zur Lageraufstockung genutzt, bei Missernten konnte der Lagerabbau den Preisauftrieb bremsen. Starke Preisausschläge gab es nur, wenn niedrige Lagerbestände und weltweit geringe Ernten zusammenfielen.

Seit der Jahrtausendwende ist der seit mehr als hundert Jahre andauernde Trend sinkender Agrarpreise offensichtlich zu Ende gegangen: Grund dafür ist - wie der Deutsche Raiffeisenverband in seiner Stellungnahme "Risikomanagement auf globalen Rohstoffmärkten" unterstreicht, "nicht die Spekulation mit Agrarrohstoffen, sondern grundlegende Veränderungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage".

Der Raiffeisenverband benennt ein Bündel von Ursachen:

Da die EU seit über einem Jahrzehnt die Preisinterventionen und Garantiepreise abgeschafft hat, hat die Abhängigkeit von konjunkturellen Veränderungen und Ernteschwankungen zugenommen.

Dafür die "Spekulation" verantwortlich zu machen, ist angesichts des existierenden Hungers in der Welt zwar einfach, durch die Fakten aber nicht gedeckt und damit nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver.

Deshalb ist die Forderung nach schärferer Regulierung der Rohstoffmärkte viel schwieriger und komplizierter, als dies Kommunisten und Grüne der Öffentlichkeit weismachen wollen. Jeder erinnert sich an die Mangelverwaltung im real existierenden Kommunismus und die von den Grünen massiv geforderten Flächenstilllegungen und energetische Nutzung landwirtschaftlicher Flächen.

Unkenntnis der Finanzmarktprobleme und bereits beschlossener Maßnahmen, Vorurteile und nicht durch Fakten gestützte Kampagnen können Unsicherheit erzeugen. Dies ist beabsichtigt, um auf einem schwierigen Feld Politiker anderer Parteien gezielt zu diffamieren und bei den Bürgern Angst und Misstrauen zu säen oder zu verstärken. Dazu gehört auch die von dem deutschen Grünenabgeordneten Giegold und dem deutschen kommunistischen Abgeordneten Klute aktiv unterstützte Kampagne von "campact", einer Internetfirma aus Niedersachsen, die von linken, grünen und anderen durchaus gutwilligen Organisationen und Vereinigungen unterstützt und gegründet wurde, um Kampagnen gegen Personen und Institutionen zu organisieren. Dabei kommt es weder auf die Wahrheit noch auf Anstand und Fairness an, es zählen nur Diffamierung und Aktionismus.

Hauptproblem der mangelnden Ernährung ist die weltweit unzureichende und regional nicht entsprechend dem Bedarf verteilte Agrarproduktion und fehlende Transparenz! Unstrittig ist, dass globale Märkte globale Markttransparenz und eine koordinierte Politik auf internationaler Ebene erfordern. Deshalb hat das Europäische Parlament bereits vielfältige Gesetzesvorhaben beschlossen, die dies in Zukunft gewährleisten werden, sowie eine Stärkung der Aufsichtsstrukturen und Rahmenbedingungen. So sind unter meiner Verantwortung als Berichterstatter im EP die außerbörslichen Finanzmarktprodukte (OTC-Derivate) einer scharfen und vollständigen Regulierung, Transparenz, Meldepflichten, Risikobewertung über zentrale Clearingstellen und Eigenkapitalunterlegung unterzogen worden, die Anfang 2013 in Kraft tritt.

Schon die offiziellen Daten der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich belegen, dass außerbörsliche Derivate auf Rohstoffe (einschließlich Gold) und Agrarprodukte "nur" 0,5 Prozent des gesamten OTC-Derivatevolumens und ca. 1,5 Prozent des Marktwertes aller Derivate ausmachen (Quelle: BIZ, Basel, Vierteljahresbericht Juni 2012). Die Warenterminbörse in Chicago dominiert den internationalen Börsenhandel bei Weizen, Mais und Sojabohnen. Der Großteil der weltweit geschlossenen Verträge dieser Agrarprodukte wird dort abgewickelt, nicht unter europäischer, sondern unter amerikanischer Gesetzgebung. In der EU, für die die Gesetzgebung gilt, findet nur ca. 1% des weltweiten Handels mit diesen drei Agrarprodukten statt. (Quelle: Anhörung des Deutschen Bundestags am 27.6.2011, Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), bei anderen Agrarprodukten und Rohstoffen wie Reis dominieren die asiatischen Börsen.

Die Finanzmarktregulierung ist weit über die von campact behaupteten Einzelheiten der Richtlinie über Börsenhandel und Marktinstrumente hinausgehenden Regelungen (Ferber-Bericht) ein umfassendes System ineinandergreifender Regulierungen mehrerer Gesetzgebungsvorhaben. Die Hervorhebung eines einzelnen möglichen Instruments "Positionsobergrenzen für Börsenhändler" zeigt Unkenntnis und die Absicht, sachkundige Abgeordnete, die Grünen und Kommunisten nicht nachlaufen, zu diffamieren, obwohl weder Verhandlungen über Einzelheiten abgeschlossen sind, noch irgendetwas beschlossen ist. Dass Außenstehende das Funktionieren des Mitentscheidungsverfahrens nicht oder schwer verstehen, ist noch nachvollziehbar, wenn allerdings Abgeordnete Kampagnen unterstützen, die auf Unkenntnis beruhen und die zu handgreiflichen Demonstrationen im Plenarsaal des Parlaments führen, dann ist das verwerflich.

"Positionsobergrenzen für Börsenhändler" sind in ihrer Wirkung umstritten, aber nicht, wie die Internetkampagne zu vermitteln versucht, in der Finanzwirtschaft oder an den Börsen, sondern bei den Nutzern, den Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor angehören wie z.B. den deutschen DAX-Unternehmen und vielen europäischen Exportunternehmen. Auch der Deutsche Bauernverband, der Raiffeisenverband und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sowie im Namen der Weiterverarbeiter von Rohstoffen auch der deutsche Sparkassenverband sind gegen solche Obergrenzen, die nur Augenwischerei sind, weil sie das Grundproblem die Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln nicht lösen.

So schreibt der Deutsche Bauernverband zu Positionsobergrenzen: "Wenn überhaupt Positionslimits in Betracht kommen sollten, sollten Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft davon ausgenommen werden, wie das an den Agrarterminbörsen in den USA möglich ist, da von diesen keine systemischen Risiken für das Wirtschafts- und Finanzsystem ausgehen." (Stellungnahme zum Ferber-Bericht vom 16. März 2012).

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Dr. Helmut Born, plädierte bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestages im letzten Jahr für eine Versachlichung der Debatte und betonte, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen auf Terminmärkten grundsätzlich nichts Schlimmes sei. Born sieht keine Hinweise, die auf eine "exzessive Spekulation" deuten.

Der BDI betont, dass "Positionslimits das Risikomanagement nicht-finanzieller Unternehmen mit Derivaten erheblich beeinträchtigen" würden (Stellungnahme vom 25. April 2012). Und der deutsche Sparkassen- und Giroverband ergänzt: "Die Begrenzung der Zahl der Transaktionen (könnte) zu einer Substitution in wenige Transaktionen mit höheren Volumina führen. Dies würde ebenfalls nicht zur Begrenzung manipulativer Spekulationen beitragen und könnte Preisausschläge sogar noch verschärfen." (Quelle: Aktuelle Hintergrundinformation zur Regulierung und Entwicklung der Rohstoffmärkte des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes vom 10. Februar 2012).

Spekulationen, die es zweifellos gibt, kann man deshalb wirksamer mit höheren Börsengebühren für Geschäfte mit spekulativem Charakter, der Entschleunigung des Hochfrequenzhandels, mit mehr Markttransparenz und der Risikounterlegung mit Eigenkapital (Derivate) in den Griff bekommen.

Deshalb werden wir im Wirtschafts- und Währungsausschuss uns trotz gezielter Kampagnen in Ruhe und mit klarem Blick für eine strengere und schärfere Regulierung der Finanzmärkte einsetzen und weder von Teilen der Finanzwirtschaft, noch von Spekulanten und auch nicht von Grünen oder kommunistischen Populisten davon abhalten lassen.

Manche Politiker und Institutionen, die heute vor allem die Spekulanten für die Agrarpreisentwicklungen verantwortlich machen, haben früher (nicht zu Unrecht!) die Agrarpolitik der EU mit den Überschüssen, die in der Dritten Welt subventioniert abgesetzt wurden, für den Hunger mitverantwortlich gemacht. Künstlich niedrig gehaltene Preise haben den Aufbau einer eigenen leistungsfähigen Landwirtschaft in vielen Ländern der Dritten Welt ebenso behindert, wie Diktaturen, feudale Strukturen und eigene Unfähigkeit.

Verantwortlich für den Text: Dr. Werner Langen, MdEP Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments.

 
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