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Europa: Neues vom Brexit und von der Schuldenkrise in Griechenland

Dokument: Frankfurt/Main, 08.12.2016 11:32 Uhr (Klaus Stopp)

Während man in Großbritannien keine Eile mit einem Ausscheiden namens Brexit aus der Europäischen Union zu haben scheint, macht die Europäische Kommission (EU) Dampf.

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Klaus Stopp
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds der Baader Bank und stellt seine Analysen seit 15 Jahren vor.

Der auf EU-Seite mit den Verhandlungen betraute Michel Barnier machte diese Woche klar, dass man statt voller zwei Jahre nur 15 bis höchstens 18 Monate für die Detailgespräche der Trennung zur Verfügung habe. Die restliche Zeit benötige man für die Ratifizierung des Abkommens.

Die in Artikel 50 der EU-Verträge festgelegte Frist von zwei Jahren beginnt, sobald Großbritannien offiziell ein Austrittsgesuch gestellt hat. Premierministerin Theresa May hatte dies bis Ende März avisiert. Der Prozess könnte sich aber verzögern, weil ein Gericht in London unlängst entschieden hat, dass es der Regierung nicht zustehe, den EU-Austritt ohne Einbeziehung des Parlaments auf den Weg zu bringen.

EU-Chefunterhändler Barnier hat in den vergangenen Wochen bereits 18 der verbleibenden 27 EU-Länder besucht und Einigkeit über vier Grundprinzipien für die Verhandlungen mit London konstatiert. Demnach soll die EU einig bleiben. Drittländer, zu denen dann auch Großbritannien zählen wird, können nie dieselben Rechte haben wie Mitgliedsländer. Außerdem wird es vor Einreichung des Austrittsgesuchs keine Verhandlungen geben. Und schließlich gelten für den Binnenmarkt vier Freiheiten, also auch die Freizügigkeit. Rosinenpickerei, wie sie vielleicht manchen in London vorschwebt, erteilte Barnier explizit eine Absage. Auch sagte er, mit den Begriffen „harter oder weicher Brexit“ könne er nichts anfangen.

Barnier hat damit klare Kante gezeigt und in erfrischender Weise klar gemacht, was die Prinzipien und Werte der EU sowie die damit verbundenen Vorteile sind. Die Briten müssen sich wohl daran gewöhnen, dass es wie bei der Schwangerschaft ist: Ein bisschen EU geht nicht.

Der Umstand, dass Barnier in Brüssel Englisch spricht, mag für einen Franzosen seiner Generation nicht selbstverständlich sein. Es ist aber wohl das einzige Zugeständnis, das er gegenüber den Briten machen wird. Denn ansonsten dürfte der Regierung in London klar geworden sein, dass ihr der 65-Jährige bei den Austrittsverhandlungen nichts schenken wird.

Griechenlands Schulden weiter auf die lange Bank geschoben

In der griechischen Schuldenkrise haben die Europartner die Kreditbedingungen für Athen erneut verbessert. So wurden die Rückzahlungsfristen für Kredite aus dem zweiten Hilfsprogramm von 28 auf 32 Jahre gestreckt und damit eine Lösung der Schuldenkrise weiter in die Zukunft verschoben. Mit derart „technischen Maßnahmen“, wie Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem es nennt, sollen die Kosten des griechischen Schuldendiensts reduziert werden.

Außerdem soll Athen von den derzeit extrem günstigen Zinsen profitieren. Als Ganzes könnten diese Maßnahmen den Schuldenstand von Athen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2060 um etwa 20 Prozentpunkte verringern, rechnet der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) vor. Aktuell betragen die griechischen Staatsschulden rund 315 Mrd. €, was ca. 180% der Wirtschaftsleistung entspricht.

Die neuen Schuldenerleichterungen sind unabhängig von der laufenden Überprüfung des Spar- und Reformprogramms des Landes zu sehen, bei der es vor allem bei der Arbeitsmarktreform noch Differenzen gibt. Für das dritte Hilfsprogramm über maximal 86 Mrd. € hatten sich die griechische Regierung und die Geldgeber auf ein umfangreiches Reformprogramm bis zum Jahr 2018 verständigt.

Wie Reuters berichtet, bezeichnete Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos die jüngste Entscheidung zwar als einen „bemerkenswerten Erfolg“. Er warnte die Geldgeber aber vor weiteren Auflagen nach Ende des laufenden Sparprogramms 2018. Außerdem wiederholte er die Forderung, griechische Staatspapiere müssten schon im ersten Quartal 2017 in das Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgenommen werden, was Athen der Rückkehr an den Kapitalmarkt näher bringen würde.

Offen ist weiterhin, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem griechischen Hilfsprogramm auch künftig beteiligen wird. Der Fonds hatte wiederholt weitreichende Schuldenerleichterungen für Griechenland gefordert, damit das Land längerfristig wirtschaftlich wieder auf eigenen Beinen stehen könne. Diesen Forderungen stand und steht insbesondere Deutschland sehr kritisch gegenüber, das in der Vergangenheit stets davon gesprochen hat, dass der IWF bis Ende 2016 auf jedem Fall mit an Bord sei. Doch das wird nicht machbar sein und so werden wir uns mit dem Thema Hellas auch im nächsten Jahr beschäftigen müssen.

Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG.

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