Die gigantischen Summen (4,5 Billionen Euro von 2008 bis Oktober 2011) mit denen EU-Länder Bankenretter spielen, sollen nicht mehr auf dem Rücken der Steuerzahler lasten.
Im Laufe der Krise ist es zum Ausfall mehrerer angesehener Banken (Fortis, Lehman Brothers, isländische Banken, Anglo Irish Bank, Dexia) gekommen.
Mit den heute (06.06.2012) in der EU-Kommission veröffentlichten Vorschlägen sollen EU-Staaten zur Rettung von maroden Banken nicht wieder auf Steuergelder zurück greifen. Von Oktober 2008 bis Oktober 2011 genehmigte die Europäische Kommission 4,5 Billionen EUR (bzw. 37 Prozent des EU-BIP) an staatlichen Beihilfemaßnahmen für Finanzinstitute. Zwar gelang es auf diese Weise, einen massiven Bankenausfall und Verwerfungen der Volkswirtschaft zu verhindern, doch wurde die damit einhergehende Verschlechterung der öffentlichen Finanzen dem Steuerzahler aufgebürdet und die Frage, wie mit krisengeschüttelten grenzübergreifenden Großbanken verfahren werden soll, noch immer nicht gelöst.
Was die Vorschläge erreichen sollen
Sie stellen sicher, dass die Behörden in Zukunft die nötigen Mittel an der Hand haben, um entscheidend eingreifen zu können, bevor Probleme auftreten bzw. in einem frühen Stadium bei bereits eingetretenen Problemen. Verschlechtert sich die Finanzlage einer Bank derart, dass keine Abhilfe mehr möglich ist, stellt der Vorschlag außerdem sicher, dass die unverzichtbaren Funktionen einer Bank erhalten werden können, während die Kosten für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken nicht mehr vom Steuerzahler, sondern von den Eigentümern und Gläubigern der Bank getragen werden.
Details
Die vorgeschlagenen Instrumente sind aufgeteilt in Befugnisse zur „Prävention“, „Frühintervention“ und „Abwicklung“, wobei die Behörden mit zunehmender Verschlechterung der Lage immer stärker eingreifen können.
Prävention:
- Erstens schreibt der Rahmen vor, dass Banken Sanierungspläne aufstellen müssen, in denen sie darlegen, welche Maßnahmen bei einer Verschlechterung ihrer Finanzlage greifen würden, um ihre Lebensfähigkeit wiederherzustellen.
- Zweitens müssen die für die Abwicklung von Banken zuständigen Behörden Abwicklungspläne ausarbeiten, die Optionen für das weitere Vorgehen bei nicht mehr lebensfähigen Banken in finanzieller Notlage enthalten (z.B. Einzelheiten zur Anwendung der Abwicklungsinstrumente sowie Mittel und Wege zur Erhaltung kritischer Funktionen). Sanierungs- und Abwicklungspläne müssen sowohl auf Gruppenebene als auch auf Ebene der einzelnen zugehörigen Institute ausgearbeitet werden.
- Drittens kann eine Behörde, die bei ihren entsprechenden Planungen Abwicklungshindernisse feststellt, von einer Bank verlangen, dass sie ihre rechtlichen oder operationellen Strukturen ändert, um sicherzustellen, dass sie mit den vorhandenen Mitteln so abgewickelt werden kann, dass kritische Funktionen und Finanzstabilität nicht gefährdet und die Steuerzahler von Kosten verschont werden.
- Schließlich können Finanzgruppen Vereinbarungen über eine gruppeninterne Unterstützung schließen, um die Ausweitung einer Krise in Grenzen zu halten und die Finanzstabilität der Gruppe als Ganzes rasch wiederherzustellen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörden und Anteilseigner eines jeden Unternehmens, das die Vereinbarung unterzeichnet hat, hätten zu einer Gruppe gehörende Institute somit die Möglichkeit, anderen Gruppenmitgliedern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, finanzielle Unterstützung (in Form von Darlehen, Garantien oder Bereitstellung von Vermögenswerten zur Verwendung als Sicherheit bei Transaktionen) zu leisten.
Frühintervention:Durch aufsichtliche Frühintervention wird sichergestellt, dass finanzielle Schwierigkeiten schon im Keim abgewendet werden. Frühinterventionsbefugnisse setzen ein, wenn ein Institut die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllt oder wahrscheinlich nicht erfüllen wird. Die Behörden könnten in diesem Fall verlangen, dass das Institut im Sanierungsplan enthaltene Maßnahmen durchführt, einen Aktionsplan mit einem Zeitplan für dessen Umsetzung aufstellt, eine Hauptversammlung zwecks Verabschiedung dringender Beschlüsse einberuft und zusammen mit seinen Gläubigern einen Umschuldungsplan ausarbeitet.
Abwicklungsinstrumente und -befugnisse:
Dank harmonisierter Abwicklungsinstrumente und –befugnisse, gekoppelt mit Abwicklungsplänen, die sowohl für national als auch für grenzübergreifend tätige Institute bereits im Voraus aufgestellt werden, erhalten die nationalen Behörden in allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Instrumentarium und einen einheitlichen Ablaufplan für den Umgang mit Bankenausfällen an die Hand. Die Eingriffe in die Rechte von Anteilsinhabern und Gläubigern, die die Instrumente mit sich bringen, sind durch das übergeordnete Ziel gerechtfertigt, die finanzielle Stabilität sowie Einleger und Steuerzahler zu schützen, und werden von Schutzbestimmungen gestützt, die verhindern, dass die Abwicklungsinstrumente unrechtmäßig eingesetzt werden.
Die wichtigsten Abwicklungsinstrumente sind
- das Instrument der Unternehmensveräußerung, bei dem die Behörden die ausfallende Bank ganz oder teilweise an eine andere Bank verkaufen;
- das Instrument des Brückeninstituts, bei dem die „guten“ Vermögenswerte oder wesentlichen Funktionen der Bank ermittelt und gesondert auf eine neue Bank (Brückenbank) übertragen werden, die später an ein anderes Unternehmen veräußert wird. Die alte Bank mit den „schlechten“ Vermögenswerten bzw. nicht wesentlichen Funktionen würde dann im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens liquidiert;
- das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten, bei dem die „schlechten“ Vermögenswerte der Bank auf eine eigens für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaft übertragen werden. Mit diesem Instrument wird die Bilanz einer Bank bereinigt. Um zu verhindern, dass dieses Instrument lediglich als eine staatliche Beihilfemaßnahme verwendet wird, wird in dem Rahmen vorgeschrieben, dass es nur in Verbindung mit einem anderen Instrument (Brückeninstitut, Unternehmensveräußerung oder Schuldenabschreibung) eingesetzt werden darf. Dadurch wird sichergestellt, dass die Bank nicht nur Unterstützung erhält, sondern gleichzeitig einer Restrukturierung unterzogen wird;
- das „Bail-in“-Instrument, bei dem die Bank durch Löschung oder Verwässerung von Anteilen rekapitalisiert wird und die Forderungen der Gläubiger reduziert oder in Anteile umgewandelt werden. Ein Institut, für den sich kein Käufer des Privatsektors fände oder bei dem eine Aufgliederung voraussichtlich zu kompliziert wäre, könnte daher weiterhin grundlegende Dienstleistungen erbringen, ohne dass eine Rettung mit öffentlichen Mitteln notwendig wäre. Außerdem hätten die Behörden genug Zeit, es zu reorganisieren oder Teile seiner Geschäftstätigkeit geordnet zu liquidieren. Daher wären die Banken verpflichtet, in ihren Bilanzen einen Mindestbestand an Verbindlichkeiten zu führen, auf die die „Bail-in“-Befugnisse angewandt werden könnten. Beim Einsatz dieser Befugnisse würden die entsprechenden Verbindlichkeiten in einer im Voraus festgelegten Reihenfolge gemäß der Rangordnung der Forderungen abgeschrieben, damit das Institut wieder lebensfähig wird.
Damit die Abwicklungsinstrumente effektiv sind, müssen für sie Mittel in einer gewissen Höhe zur Verfügung stehen. Wenn die Behörden beispielsweise eine Brückenbank einrichten, braucht diese für ihre Tätigkeit Kapital oder kurzfristige Darlehen. Falls eine Finanzierung über die Märkte nicht möglich ist und um zu verhindern, dass Abwicklungsmaßnahmen vom Staat finanziert werden, werden zusätzliche Mittel durch Abwicklungsfonds bereitgestellt, die Beiträge von Banken proportional zu deren Verbindlichkeiten und Risikoprofilen erheben. Die Fonds müssen ausreichende Kapazitäten aufbauen, um in 10 Jahren 1 % der gedeckten Einlagen zu erreichen. Sie werden ausschließlich zur Unterstützung einer geordneten Reorganisation und Abwicklung in Anspruch genommen, aber niemals zur Rettung einer Bank. Damit die Abwicklung grenzübergreifend tätiger Banken finanziert werden kann, ist eine gegenseitige Unterstützung der nationalen Abwicklungsfonds vorgesehen.
(Quelle: EU-Kommission)