Wiesbaden, 14.10.2011 11:26 Uhr (Michael Diegelmann)
Mittelstandsanleihen sind in aller Munde. Ob in den Medien oder in Fachkreisen - die neue Anlageform wird lebhaft diskutiert. Ein Beitrag von Michael Diegelmann, Vorstand der cometis AG zum Thema Bondkommunikation.
Eine Vorreiterfunktion übernahm dabei die Börse Stuttgart, die im Mai 2010 das Handelssegment BondM einführte. Seither wurden auf dem schwäbischen Wertpapiermarkt 18 Unternehmensanleihen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 1,3 Mrd. Euro in das Mittelstandssegment aufgenommen.
Auch in Frankfurt, München und Düsseldorf gibt es inzwischen Handelssegmente für die Anlageklasse, so dass sich das Platzierungsvolumen mittlerweile auf mehr als 2 Mrd. Euro summiert. In Anbetracht der überdurchschnittlichen Kupons und der attraktiven Stückelung von 1.000 Euro greifen Privatanleger bereits eifrig zu. Auch Vermögensverwalter und Family Offices interessieren sich für das Marktsegment. Die Medien begrüßen grundsätzlich die neue Anlageform, kritisieren jedoch häufig den Mangel an Transparenz sowie die teilweise nicht risikoadäquate Festlegung des Kupons und empfehlen den Anlegern, mögliche Investitionen eingehend zu prüfen. Die Emittenten sind daher gefordert, eine offene und professionelle Kommunikation mit den Anlegern sicherzustellen.
Klassische mittelständische Unternehmen sind in der Regel noch recht unbekannt bei Investoren, daher gilt es zunächst ein Grundverständnis aufzubauen. Wie genau funktioniert das Geschäftsmodell des Unternehmens? Wie erfahren ist die Geschäftsführung? Wie ist die Marktposition des Unternehmens und welche Strategie verfolgt es? Schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen und ist es langfristig in der Lage, den Zins- und Tilgungszahlungen eines Corporate Bonds nachzukommen?
Antworten auf diese und viele weitere Fragen müssen bereits vor der Emission an die Anleger umfassend kommuniziert werden. Das ist die Aufgabe der Finanzkommunikation. Eine gezielte Positionierung der Unternehmen durch die Bond Story – sprich durch die Darstellung des Emittenten im Kontext der zukünftigen Chancen und Risiken – sowie das Erfüllen bondspezifischer Veröffentlichungspflichten entscheiden oftmals über den Erfolg oder Misserfolg einer Emission.
„Vor allem strengere regulatorische Anforderungen an die Banken im Zuge der Finanzkrise haben zur Folge, dass sich immer mehr mittelständische Unternehmen über den Kapitalmarkt refinanzieren müssen“, erläutert Volker Kempf, Partner bei mayerhöfer & co, eine auf den deutschen Mittelstand spezialisierte Corporate Finance und M&A Beratungsgesellschaft. Der mangelnde Bekanntheitsgrad der oftmals familiengeführten Firmen könne durchaus eine Hürde bei der Emission von Anleihen darstellen, bestätigt Volker Kempf. Zunächst gilt es daher, die „Financial Community“ kennenzulernen. Ulrich Wiehle, Vorstand der Kommunikationsberatung cometis AG: „Die Veröffentlichung von aussagekräftigen Unterlagen wie Geschäftsbericht, Zwischenbericht und Pressemeldungen bereits vor der Emission stellen ein klares Bekenntnis zur Transparenz dar. Dies verschafft Unternehmen einen erheblichen Vorteil, um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen.“
Ebenso wichtig ist die professionelle Selbstdarstellung der Firmen während und nach der Emission. Dies erfolgt in der Regel auf der firmeneigenen Webseite mit einer aussagekräftigen Investor-Relations-Rubrik inklusive Suchmaschinenoptimierung, einem umfassenden Fragen- und Antwortenkatalog, Factsheet und Download-Optionen für den Wertpapierprospekt und die Unternehmenspräsentation. Im Zuge der Transaktion sind auch das Kampagnenmanagement durch Anzeigen, Internet-Banner, Callcenter für interessierte Anleger und eine proaktive Pressearbeit feste Bestandteile der effektiven Kommunikation. Ansprechpartner für Investoren und die Öffentlichkeit ist, neben einer begleitenden Kommunikationsberatung, selbstverständlich die Geschäftsleitung des Unternehmens.
„Sich gegenüber den Medien professionell zu präsentieren ist nach unserer Erfahrung ein Schlüssel für den Erfolg einer Transaktion, der jedoch häufig von den Unternehmern unterschätzt wird“, weiß Henryk Deter, Vorstand der cometis AG, zu berichten. Daher bereitet die cometis AG Vorstände durch sogenanntes Management-Coaching auf den Auftritt vor Kamera, Mikrofon und auf Hintergrundgespräche mit Journalisten intensiv vor. Im Frage- und Antwort-Training wird beispielsweise der Umgang mit „unfairer Dialektik“, sprich konfrontativen Fragen der Journalisten oder Investoren, geübt. Ziel ist es, dass die Geschäftsleitung möglichst gut auf solche Gespräche vorbereitet ist. Die Kür dabei sind TV-Interviews, in denen es gilt in 30 Sekunden die zentralen Botschaften zu transportieren und gleichzeitig die Fragen der Journalisten prägnant zu beantworten. „Grundsätzlich gilt: Ohne Kommunikation keine erfolgreiche Kapitalaufnahme“, so Henryk Deter.
Entscheidend ist hierbei nicht nur die Erstpositionierung des Unternehmens während der Emission der Anleihe, sondern vor allem auch die effektive Folgebetreuung der Anleger. Das schafft Vertrauen und bildet eine Basis für weitere Kapitalmaßnahmen. Denn meist kommt die nächste Refinanzierung schneller als gedacht.
Durch die positive Resonanz der Anleger auf Mittelstandsanleihen ist längst auch das Interesse der Journalisten erwacht. Teilweise fällt die Berichterstattung kritisch aus, insbesondere in Bezug auf die mangelhafte Kommunikation und den eingeschränkten Anlegerschutz bei der Emission. Die große Medienpräsenz birgt jedoch durchaus Chancen für das junge Handelssegment. Mehr Transparenz durch eine effektive Finanzkommunikation könnte dazu führen, dass sich neben Privatanlegern auch institutionelle Anleger verstärkt für die neue Finanzierungsform interessieren.
Was die Zukunft von Mittelstandsanleihen angeht, zeigt sich Volker Kempf zuversichtlich: „Die Anlageklasse hat viel Potenzial. Zunächst gilt es allerdings, durch die Einführung professioneller Kommunikationsstandards eine feste Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Anlegern zu schaffen.“ Sobald die institutionellen Investoren nachziehen, könnten weitere attraktive Produkte für private Kapitalanleger entstehen.
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