Die deutsche Bevölkerung wünscht sich laut Studie des ZEW Mannheim ein vereinfachtes Steuersystem. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
02.01.2020 18:44 Uhr
STEUERN UND FINANZEN FÜR VERBRAUCHER

ZEW Forscher stellen Studie zur Reform der Einkommensteuer vor

Düsseldorf, 02.01.2020 18:44 Uhr (Gastautor)

Deut­sche halten die Zeit reif für ein verein­fachtes, neues Steu­er­system. Aller­dings fehlt der Bevöl­ke­rung laut einer Studie das Bewusst­sein für die Nach­teile, die eine Verein­fa­chung der Einkom­men­steuer mit sich bringen würde.

Mehr als 90 Prozent der Deutschen wünschen sich ein einfacheres Einkommensteuersystem. In den Augen der Befragten profitieren von den Abzugsmöglichkeiten und Freibeträgen im deutschen Steuersystem vor allem gut verdienende Haushalte.

Die Akzeptanz für Steuervergünstigungen steigt, wenn dadurch ein Ausgleich für besondere Umstände geschaffen wird. Zudem fehlt in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Nachteile, die eine Vereinfachung der Einkommensteuer mit sich bringen würde. Zu diesen Ergebnissen kommt die Auswertung einer repräsentativen Umfrage im Rahmen einer aktuellen Studie des ZEW Mannheim (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH).

Für die Untersuchung stützen sich die Forscher auf eine Befragung von 2.464 Personen aus ganz Deutschland, die das German Internet Panel des Sonderforschungsbereichs „Politische Ökonomie von Reformen“ in Mannheim durchgeführt hat.

ZEW Mannheim Studie Einkommenssteuer Ergebnisse als Chart

Um herauszufinden, ob die Befragten ein komplexes Steuersystem mit Vergünstigungen auch im konkreten Fall ablehnen, wurden sie von den Wissenschaftlern nacheinander mit drei Szenarien konfrontiert. Dabei ging es jeweils um zwei Personen mit dem gleichen Bruttoeinkommen, die sich in einem Merkmal unterschieden: Bei der Pflege eines Familienmitglieds, bei den Spenden für wohltätige Zwecke sowie bei der Länge der Pendelstrecke zur Arbeit. Die Pendlerpauschale ist auch die steuerliche Vergünstigung, die die Befragten selbst am meisten nutzen.

60 Prozent, also fast zwei Drittel aller Befragten, befürworten steuerliche Vergünstigungen für die Pflege von Angehörigen. Dagegen spricht sich mit 59 Prozent eine Mehrheit der Befragten gegen eine steuerliche Begünstigung von Pendlern/-innen aus. 66 Prozent der Umfrageteilnehmer/innen sind der Ansicht, dass Spenden für wohltätige Zwecke nicht steuerlich absetzbar sein sollten.

„Unsere Erhebung zeigt, dass es für die meisten Befragten einen Unterschied macht, ob Lebensumstände selbst gewählt sind, wie etwa bei einer weiten Pendelstrecke oder Ausgaben für Spenden“, sagt Sebastian Blesse, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ sowie Mitautor der Studie. „In diesen Fällen befürworten Menschen steuerliche Vorteile hauptsächlich dann, wenn sie selbst davon profitieren. So unterstützen etwa 45 Prozent der Pendler die Pendlerpauschale, aber nur 25 Prozent der übrigen Teilnehmer/innen. Anders sieht es bei Faktoren aus, die nicht selbst gewählt sind. Dazu zählt zum Beispiel die Pflege eines Elternteils. 58 Prozent der Befragten, die nicht selbst pflegen, wünschen sich trotzdem eine steuerliche Entlastung der Betroffenen.“

Nachteile der Vereinfachung im Steuersystem

Im Weiteren Verlauf der Umfrage wurden die Teilnehmer/innen per Zufall in drei verschiedene Gruppen eingeteilt: Die sogenannte Kontrollgruppe erhielt keine weiteren Informationen. Einer zweiten Gruppe wurden Argumente vorlegt, die für eine Vereinfachung der Einkommensteuer sprechen. Die dritte Gruppe schließlich wurde mit Argumenten gegen die Vereinfachung konfrontiert. Mit diesem Experiment wollten die Forscher herausfinden, ob Menschen ihre Einstellungen zu einer Steuervereinfachung ändern, wenn sie mehr über die Gründe erfahren, die dafür und dagegen sprechen.

Dabei stellt sich heraus, dass die Befragten ihre ursprünglich positive Meinung zu Steuervereinfachungen oftmals kritisch revidieren. „Die Unterstützung für ein einfaches Steuersystem geht zurück, wenn die Befragten Informationen über die Vorteile von Vergünstigungen erhalten. Das spricht dafür, dass in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür fehlt, warum es so viele Abzüge und Freibeträge gibt“, sagt Florian Buhlmann, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ und Mitautor der Studie. „Im Gegensatz dazu wirken sich Argumente für eine Vereinfachung so gut wie gar nicht auf die Einstellungen aus. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die meisten Befragten ohnehin schon ein einfacheres Steuersystem bevorzugen.“

Die Wissenschaftler stellen vor diesem Hintergrund fest, dass trotz des allgemeinen Wunsches nach Vereinfachung ein gesellschaftlicher Konsens fehlt, welche Reform erstrebenswert ist. Insofern verwundert es wenig, dass die Regelungen zur Einkommensteuer zuletzt zwischen 1996 und 2005 reformiert wurden.

(Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW))

 

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