GSAM Finanzmarktausblick: Starke Aktienmärkte und günstige Kredite
London, 31.05.2017 12:12 Uhr (Gastautor)
Nach wie vor spricht das Makroumfeld für Vermögenswerte, die auf Wachstum ausgerichtet sind. Angeführt von den Industrieländern schreitet die wirtschaftliche Expansion voran und synchronisiert sich weltweit.
Andrew Wilson
Die Finanzbedingungen bleiben zudem positiv: Die Aktienmärkte entwickeln sich stark und Kredite sind günstig. Deshalb denken wir, dass die Märkte womöglich zu optimistisch sind. In den nächsten Monaten könnte sich diese Inkonsistenz auflösen und wieder ein Gleichgewicht herstellen.
Europa: Risikoeinpreisung voraus
Beunruhigend war zuletzt, dass auf dem Markt für europäische Staatsanleihen keine Risikoaufschläge erhoben wurden - trotz vom wachsenden Populismus ausgelösten Tail Risks. Volatilitäten auf den Märkten für Staatsanleihen blieben bislang aus und pendelten sich zwischen einer moderaten Spreadausweitung und rückläufigen politischen Risiko ein. Obwohl sich Emmanuel Macron bei der zweiten Runde der Präsidentenwahl am 7. Mai gegen Front-National-Kandidatin Marine Le Pen durchsetzen konnte, glauben wir nicht, dass der Sieg Macrons die Gefahr einer Fragmentierung der Eurozone langfristig tilgen kann. Vielmehr stellt der wachsende Nationalismus mittlerweile die dritte große Herausforderung für den Euroraum dar, beginnend mit der Staatsschuldenkrise von 2011 und der Flüchtlingswelle im Jahr 2015.
Wir gehen davon aus, dass auf den Märkten des Euroraums (mit Ausnahme Deutschlands) bis zur Wahl in Italien in 2018 mehr Risiken eingepreist werden dürften. In Italien strebt die Protestbewegung „Fünf Sterne“ ein Referendum über die Mitgliedschaft im Euroraum an und hat sich zu einem ernsten Rivalen der regierenden Mitte-Links-Partei entwickelt. Wir halten derzeit keine Positionen in Italien, auch wenn wir der Ansicht sind, dass alle defensiven Trades unser Übergewichtung im Euro-Währungsgebiet zugutekommen dürften.
Regional gesehen bieten außerdem mittel- und osteuropäische Währungen den Vorteil, dass die zugehörigen Zahlungsbilanzen positiv und Handelsverflechtungen mit dem europäischen Wachstum tief sind. Weiterer Pluspunkt: Sie sind nicht in die Probleme des Euros verwickelt.
Was Großbritannien betrifft, so ist es unserer Meinung nach zu früh, um abzuschätzen, welche Auswirkungen der Austritt des Landes aus der EU auf die Politik des Euroraums haben wird. Gleichwohl ist es kein Geheimnis, worin die Herausforderungen für die britische Wirtschaft bestehen. Neben dem Inflationsdruck, dem Druck auf die Verbrauchernachfrage und einer hohen Volatilität über den zweijährigen Trennungsprozess könnte das Britische Pfund in Mitleidenschaft gezogen werden. Als Frühindikator beobachten wir vor allem die Verhandlungen über die Ausgleichszahlungen – also die Verbindlichkeiten Großbritanniens gegenüber der EU. Sollte sich dieser Prozess als schwieriger als ohnehin gedacht erweisen, drohen für die Zukunft eventuell noch größere Schwierigkeiten zwischen beiden Seiten.
USA: Diskrepanz zwischen Stimmung und Wirtschaftsdaten
In den USA ist man weiterhin auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen der sehr positiven Grundstimmung und den harten Fakten, sprich niedrigeren Zinssätzen und einer strafferen Politik der US-Notenbank Fed. Wir denken, dass die qualitativen und quantitativen Maßnahmen zu einem moderaten Wachstumsanstieg von knapp 2,2 Prozent führen dürften. Sollte die Regierung in puncto Steuerreform vorankommen, könnte das Wachstum auch stärker ausfallen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sich Trumps wachstumsfördernden Regulierungs- und Fiskalmaßnahmen vor 2018 bemerkbar machen. Nach wie vor besteht eine Kluft zwischen den geldpolitischen Prognosen der US-Notenbank (Fed), den anhaltend niedrigen Zinssätzen und den lockeren Finanzbedingungen.
Wir rechnen damit, dass sich die US-Zinsen auf höherem Niveau einpendeln werden. Zudem bleibt abzuwarten, ob sich die allgemeinen Finanzbedingungen verschlechtern. Dies beeinflusst nicht zuletzt unseren Ausblick für die künftige Fed-Politik. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr noch zweimal anheben und damit beginnen wird, ihre Bilanz zu bereinigen. Das Tempo für Zinserhöhungen könnte dann in 2018 noch einmal anziehen.
China: Verschuldung bleibt kurzfristig größtes Risiko
Für uns bleibt es dabei, dass die Hauptrisiken in den Entwicklungsländern von China ausgehen, nicht zuletzt weil die Märkte hier möglicherweise zu optimistisch agieren. Die Konjunkturabschwächung stellt eine langfristige Herausforderung dar, aber auf kurze Sicht sind vor allem die steigenden Finanzierungskosten der überschuldeten chinesischen Unternehmen beunruhigend. Die Schulden der wichtigsten chinesischen Finanzinstitute sind so hoch, dass ein Eingriff der chinesischen Regierung denkbar ist. Selbst wenn dies so kommen sollte, macht das aber nicht die mangelnde Transparenz in Bezug auf notleidende Kredite in den Bilanzen der chinesischen Banken wett. Wir halten folglich an unserer Überzeugung fest, jene asiatischen Währungen unterzugewichten, die den Markt- oder konjunkturellen Turbulenzen in China am stärksten ausgesetzt sind. Hierzu zählen etwa der Taiwan-, Singapur- und Hongkong-Dollar.
Emerging Markets: Das Comeback der Währungen
Die Schwellenländerwährungen feiern nach vier turbulenten Jahren ein Comeback und bieten einige der besten Chancen auf den heutigen Märkten. In Teilen der Entwicklungsländer haben wir es mit einer seltenen Kombination aus Value und sich verbessernden Fundamentaldaten zu tun, wobei die Währungen im Vergleich zu den Schulden nach wie vor unterbewertet sind. Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung denken wir, dass die Schwellenländer den Epizentren der heutigen politischen Risiken eher weniger ausgesetzt sind als z.B. die meisten Industrieländer. Kurz gesagt bevorzugen wir Märkte, die unserer Meinung nach vom Wachstum in Europa und den USA profitieren können, ohne in deren politischen Problemen unterzugehen.
Das heißt nicht, dass das politische Risiko aus den Schwellenländern verschwunden ist. Man denke nur an die Volatilitätssprünge des südafrikanischen Rands nach der Amtsenthebung des Finanzministers oder die Reaktion der türkischen Lira auf den Sieg von Präsident Erdoğan beim umstrittenen Verfassungsreferendum. Es handelt sich hierbei aber um konkrete Einzelfälle, die weniger Potenzial haben, auf andere Bereiche überzugreifen.
(Quelle: Goldman Sachs Asset Management (GSAM) ist einer der global führenden Vermögensverwalter. GSAM beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter an 31 Standorten weltweit. Das Unternehmen stellt institutionellen und Privatanlegern Anlage- und Beratungslösungen zur Verfügung, wobei die angebotenen Strategien das gesamte Spektrum an Anlageklassen, Branchen und Regionen abdecken.)
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