Die volkswirtschaftliche Analyse der IKB Bank beschäftigt sich mit der Auswirkung von US-Zöllen auf deutsche Branchen in 2018 und 2019. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
24.07.2018 12:23 Uhr
US HANDELSZÖLLE UND EUROPA

Handelskonflikt | Risiken in 2018 und 2019 für Deutschland und seine Branchen

Düsseldorf, 24.07.2018 12:23 Uhr (Gastautor)

Das Risiko eines Handels­krieges geht aktuell nur von einer Volks­wirt­schaft aus - den USA. Zwar sind die USA je nach Defi­ni­tion immer noch eine der größten, wenn nicht die größte Volks­wirt­schaft der Welt, aber ihr Offen­heits­grad und damit Einfluss auf den Welt­handel ist über­schaubar.

Für eine Einschätzung müssen nicht nur US-Importe berücksichtigt werden (Wirkung von US-Zöllen), sondern auch Exporte (Gegenmaßnahmen andere Länder). US-Importe und Exporte machen zusammen rund 27 Prozent des US-BIP aus, was je nach Berechnungsgrundlage zwischen 4 Prozent und 6 Prozent des Welt-BIP entspricht. Eine Reduzierung (Szenario = Rückgang des Welt-Offenheitsgrads von aktuell 30 Prozent auf 20 Prozent bis 2023) wäre also nur im Kontext eines eskalierenden globalen Handelskrieges zu erwarten, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit allerdings äußerst gering ist.

Auch sind mögliche Gegenmaßnahmen im Sinne von neuen Handelsabkommen der sanktionierten Staaten zu berücksichtigen. Aus dieser Sicht sind jüngste Anstrengungen einer engeren Beziehung der EU zu Japan sowie China zu Deutschland durchaus hervorzuheben. Allerdings sind dies alles eher mittel- bis langfristige Anstrengungen, während eine Verschärfung der Zollpolitik den Offenheitsgrad durchaus kurzfristig unter Druck setzen könnte.

Wachstumsrisiken für Branchen?

Wie weit könnte der globale Offenheitsgrad in Folge der US-Handelspolitik in den nächsten zwei Jahren sinken, und welche Wachstumsrisiken ergeben sich dadurch für die deutsche Wirtschaft bzw. für die Branchen?

US-Exporte und -Importe hatten 2017 rund 5,3 Billionen US-Dollar umfasst. Das Handelsvolumen, das von den jüngsten Aktionen und Reaktionen tangiert wird, scheint jedoch deutlich unter 1 Billion US-Dollar zu liegen. Wie viel davon infolge von Zöllen nicht mehr gehandelt werden würde, entspricht wiederum nur einem Bruchteil dieser Summe. Selbst wenn 20 Prozent aller Güter (Handelsvolumen entspricht 1 Billion US-$) von neuen Zöllen betroffen wären, würde der US-Handel in den kommenden zwei Jahren voraussichtlich maximal um 5 Prozent nachgeben.

Dies würde wiederum einem Rückgang der Weltexportquote um maximal 0,15 Prozent-Punkte pro Jahr entsprechen. Selbst mit diesen eher aggressiven worse-case-Annahmen und trotz der hohen Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom globalen Wirtschaftswachstum bleibt das deutsche Wachstumsrisiko für 2018 und 2019 überschaubar, wie Tabelle 1 darstellt.

Handelskrieg USA Zölle Auswirkung Deutschland IKB Tabelle


 

Trumps Handelspolitik sollte also den grundsätzlichen Ausblick für die deutsche Wirtschaft für 2018 und 2019 nur wenig beeinflussen.


 

Die von der IKB erwartete durchschnittliche BIP-Wachstumsrate für 2018 und 2019 beträgt rund 2 Prozent, während die Bank das aus einem Handelsstreit resultierende Risiko für das Wirtschaftswachstum auf ein Minus von 0,1 Prozent-Punkten pro Jahr beziffert, was eher überschaubar zu sein scheint. Dies ist auch dann der Fall, wenn der potenzielle Rückgang mit dem durchschnittlichen BIP-Wachstum der letzten 5-Jahre (1,6 Prozent) verglichen wird.

Beim Verarbeitenden Gewerbe liegen die Risikowerte deutlich höher, was nicht überrascht. So würde die im Szenario (Rückgang des Welt-Offenheitsgrads von aktuell 30 Prozent auf 20 Prozent bis 2023) skizzierte Entwicklung die durchschnittliche Wachstumsrate des Verarbeitenden Gewerbes um 0,4 Prozent-Punkte pro Jahr reduzieren. Dennoch ist angesichts der grundsätzlichen Konjunkturentwicklung (Wachstumserwartung der IKB von 1,8 Prozent pro Jahr für 2018 und 2019) das Risiko überschaubar.

Kritischer stellt sich der Einfluss auf Maschinenbau und Automobilindustrie dar. Durch das schwache historische Wachstum (2013 bis 2017) von durchschnittlich nur 0,8 Prozent pro Jahr kann ein Wachstumsrisiko von -0,5 Prozent-Punkten als durchaus bedeutend angesehen werden. Allerdings relativiert sich das Risiko für 2018 und 2019 aufgrund der guten Wachstumserwartungen (im Schnitt 2,2 Prozent). Dies ist weniger der Fall bei der Metallbearbeitung, wo ein Drittel der Wachstumserwartung im Risiko steht (0,6 Prozent-Punkte bei einer Wachstumsprognose von 1,8 Prozent für 2018 und 2019).

Zwar ist das Wachstumsrisiko für die dynamische Automobilindustrie mit -0,5 Prozent-Punkten eher überschaubar, allerdings könnten branchenspezifische Zölle zusätzlich belastend wirken. Insgesamt sind die deutschen Industriebranchen sehr abhängig von der globalen Konjunkturentwicklung und könnten demnach besonders von einer Eintrübung betroffen sein. Da das Risiko eines Handelskrieges jedoch mit dem Gewicht des US-Handels relativiert werden muss, ist das eigentliche Risiko zwar deutlich höher als für den deutschen Wachstumsausblick insgesamt, aber immer noch nicht groß genug, um grundsätzliche Veränderungen an den kurzfristigen Wachstumsperspektiven der Branchen zu rechtfertigen.

FAZIT:

Mit jeder Ankündigung von weiteren US-amerikanischen Zöllen nehmen die Spekulationen über deren Einfluss auf deutsche Unternehmen, Branchen und die Volkswirtschaft insgesamt zu. Den Einfluss von Zöllen auf mikroökonomischer Ebene zu quantifizieren, ist jedoch keine einfache Aufgabe. Bei einem eskalierenden Handelskonflikt bestünde vor allem die Gefahr, dass ein abnehmender Offenheitsgrad der Weltwirtschaft die Angebots- und Nachfrageseite vieler Volkswirtschaften grundsätzlich beeinflusst und weitreichende Umverteilungen der Handelsdefizite und -überschüsse mit sich bringt.

Dies wiederum birgt für die vergleichsweise offene deutsche Wirtschaft und ihre Branchen mit ihrem exportorientierten Verarbeitenden Gewerbe ein erhöhtes Wachstumsrisiko, da sie besonders abhängig vom globalen Konjunkturverlauf ist.

Allerdings ist der Einfluss eines Handelskonfliktes der USA auf die Weltkonjunktur aufgrund des geringen Offenheitsgrades und der damit zusammenhängenden geringen Bedeutung der USA für den Welthandel zu relativieren. Dementsprechend sollten sich auch die deutschen BIP-Wachstumsprognosen für 2018 und 2019 selbst bei einer weiteren Eskalation der US-Handelspolitik nicht nennenswert verändern. Schätzungen deuten in diesem Fall auf einen Wachstumsverlust für das deutsche BIP von 0,1 Prozent-Punkten pro Jahr hin. Das verarbeitende Gewerbe und insbesondere Branchen wie Maschinenbau, Automobilindustrie und Metallindustrie sind hingegen anfälliger und könnten mit Wachstumsverlusten von bis zu rd. 0,5 Prozent-Punkten pro Jahr rechnen.

(Quelle: IKB Deutsche Industriebank AG)

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