Seit längerem herrscht in der Wirtschaft und bei Ökonomen die Meinung, das der Staat zu wenige Investitionen tätigt um die Wirtschaft zu stützen. Fabian Lindner vom IMK erklärt die Zusammenhänge. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
23.09.2014 13:32 Uhr
KONJUNKTUR UND FORSCHUNG

Investitionsstau Deutschland: BDI fordert Politik und Forscher wissen den Grund

Düsseldorf, 23.09.2014 13:32 Uhr (Frank Schulz)

BDI-Präsi­dent Ulrich Grillo ruft zu einer Inves­ti­ti­onsof­fen­sive auf. Er fordert vor allem die Politik dazu auf, in die Verkehrs­in­fra­struktur zu inves­tieren. Es fehlt jedoch eines. Die Nach­frage aus dem Euroraum. Aus diesem Grund fehlt auch der deut­schen Wirt­schaft ein Anlass mehr in Maschinen zu inves­tieren. Zusätz­lich ist der Bauboom längst vorbei. Fabian Lindner vom Institut für Makro­öko­nomie und Konjunk­tur­for­schung (IMK) präsen­tiert seine Forschungs­er­geb­nisse.

Informationen zum Autor:
Herausgeber seit 2007 und Gründer von FMM-Magazin. Projekte in der Finanz-/Medienindustrie seit 2003 u.a. bei Gruner + Jahr (Financial Times Deutschland) und der OnVista Group. Editor von über 8.000 Fachartikeln zum Thema Finanzwissen, Nachhaltigkeit, Innovation und Wirtschaft.

Ja, es stimmt: Das Schwungrad Investitionen kommt nicht in Gang. Am "Tag der deutschen Industrie", einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (kurz BDI) in Berlin, warnte BDI-Präsident Grillo in Richtung Bundesregierung: "Die derzeit noch hohe Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und die gute globale Aufstellung unserer Unternehmen stehen auf dem Spiel." Die aktuellen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zeigten eine deutliche Konjunktureintrübung.

Neben den globalen Spannungen "...wirke aber auch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht unbedingt zur Vertrauensstärkung "..., denn "die Verunsicherung schlägt auf die Investitionstätigkeit."

Grillo fordert mehr Investitionen vor allem in die Verkehrsinfrastruktur und bessere Rahmenbedingungen (Bsp.: Energiewende) zum Anreiz für private Investitionen. Zudem möchte der BDI-Präsident gerne, dass eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt wird. Schließlich würden zwei Drittel aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Deutschland von der Wirtschaft getätigt.

Wo klemmt es bei den Investitionen?

IMK-Forscher Fabian Lindner zufolge hinkt Deutschland vor allem bei den privaten Bauinvestitionen hinterher. Bei den Ausrüstungsinvestitionen, also den Ausgaben für Produktionsanlagen oder Fahrzeuge, steht die deutsche Wirtschaft zwar nicht schlechter da als die der anderen Euroländer, sie investiert allerdings deutlich weniger als in früheren Zeiten. Die Ursache: Die Kapazitäten der Unternehmen sind wegen der schwachen Nachfrage nicht ausgelastet.

Unternehmen entschieden sich dann für Investitionen, wenn ihre Kapazitäten nicht ausreichen, um ihre Aufträge abzuarbeiten. Dass die Hersteller momentan unterausgelastet seien, hänge vor allem mit der starken Exportorientierung der deutschen Wirtschaft zusammen. Denn die überzogene Austeritätspolitik (strenge Sparpolitik des Staates) in der EU belaste die Auslandsnachfrage.

Auch das Ende des Immobilienbooms Ende der 1990er Jahre hat gravierende Auswirkungen seit dem Jahr 2000. Der damalige Boom hatte drei Gründe:

  • Die starke Zuwanderung nach Westdeutschland (zwischen 1988 und 1993 insgesamt 4 Millionen Menschen).
  • Der Staat stützte die Bautätigkeit bis Mitte der 1990er Jahre durch umfangreiche steuerliche Abreibungsmöglichkeiten und den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus.
  • Drittens kam es zu seinem Bauboom in den neuen Bundesländern. Trotz Abwanderungen gab es eine umfangreiche staatliche Sonderförderung für das Bauen, die aus steuerlichen Vergünstigungen, Finanzzuschüssen und verbilligten Krediten bestand.
Ab den späten 1990er Jahren wurde der Bau aber durch verschiedene Faktoren stark belastet, was die gesamte deutsche Konjunktur in den 2000er Jahren empfindlich traf. So führte der Bauboom besonders in den neuen Bundesländern zu Überkapazitäten, so dass Bauten keine Abnehmer mehr fanden, die Preise sanken und damit auch die Produktion. Zudem reduzierte die Politik Ende der 1990er Jahre die ohnbausubventionen. So liefen etwa 1998 die Sonderabschreibungen für Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern aus.

Die Voraussetzungen für die Eigenheimzulage wurden 1996 verschärft und sie wurde Ende 2005 vollkommen abgeschafft. Weiterhin nahm das Bevölkerungswachstum ab Mitte der 1990er Jahre deutlich ab. Zwischen 2002 und 2010 schrumpfte die Bevölkerung sogar. Schließlich haben auch die zwischen 2001 und 2005 stagnierenden Einkommen und die hohe Arbeitslosigkeit den Bau belastet.

Besserung nicht in Sicht. Ein Fazit von Fabian Lindner:

  • Aktuell dürfte die trotz Zuwanderung noch schwache demographische Entwicklung den Bau zurückhalten.
  • An Finanzierungsgeldern scheitern geringe Investitionen in Ausrüstungen der deutschen Wirtschaft nicht. Die Gewinne befinden sich weiterhin auf historischen Höchstständen und die Unternehmenssteuern sind in den letzten Jahren deutlich gesenkt worden. Es ist die fehlende Auslandsnachfrage, die wie beschrieben vor allem im Euroraum durch eine überzogene Austeritätspolitik belastet wird.
  • Einen wirklichen Investitionsstau kann man bei den staatlichen Investitionen feststellen.

Den deutschen Unternehmen empfiehlt Lindner, auf ein Ende der verfehlten Sparpolitik im Euroraum zu dringen. Hier sei auch die deutsche Regierung in der Pflicht – genauso wie bei den öffentlichen Investitionen.

Denn diesen attestieren verschiedene Studien einen besonders hohen Multiplikatoreffekt, also eine stark stimulierende Wirkung. Daher könnte die Politik durch mehr eigene Investitionen auch dafür sorgen, Produktionskapazitäten der heimischen Wirtschaft besser auszulasten, so der Ökonom. "Das würde die Binnenwirtschaft stärken, damit die Abhängigkeit von der ausländischen Nachfrage etwas reduzieren und darüber hinaus die privaten Bau- und Ausrüstungsinvestitionen anregen.“

(Quellen: BDI / Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung)

(Textauszüge/Grafik: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung)

(Foto Ulrich Grillo: Christian Kruppa)

 

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