Philippe Waechter, Chief Economist von Natixis AM, gibt einen globalen Ausblick auf die Wirtschaft und auf die Finanzmärkte 2018. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
16.01.2018 15:17 Uhr
FINANZMÄRKTE UND WIRTSCHAFT IN EUROPA

Philippe Waechter Natixis AM | Europa im Kontext der weltweiten Wachstumsdynamik

Paris/Frankfurt am Main, 16.01.2018 15:17 Uhr (Gastautor)

Der Welt­handel verzeichnet weiterhin einen Aufschwung, die Ölpreise bleiben im ange­mes­senen Rahmen und die Wirt­schafts­ex­perten welt­weit sehen mit Zuver­sicht in die Zukunft. Die Ausgangs­lage für 2018 ist also solide.

Das Wachstum, zusammen mit dem daraus erwachsenden Arbeitsmarkt, wird allen Bürgern die Möglichkeit geben, in einer komplexen und schwierigen Welt erneut Fuß zu fassen. Die politischen Entscheidungsträger sind für die Umsetzung der richtigen Reformen verantwortlich, um optimale Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung zu schaffen, in der mehr Arbeitsplätze entstehen und sich damit die Unsicherheit für jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft verringert. In dieser Hinsicht setzt Frankreich große Hoffnungen in die Reformen, über die 2018 debattiert wird: Die Reform der Berufsausbildung und der beruflichen Qualifikationen bilden den Kern des Handlungsplans der französischen Regierung und die von den Behörden in diesem Bereich umgesetzten Konzepte bilden das wichtigste Gegenstück zu den arbeitsrechtlichen Verordnungen, um den Arbeitsmarkt effizienter zu gestalten.

Doch genau jetzt fangen die Probleme an, eben weil die Dinge gut laufen. Die Weltwirtschaft geht in die Nachkrisenzeit, mit einem robusten Wachstum im zweiten Jahr in Folge. Genau wegen des starken Wachstums ist jetzt die Zeit, ehrgeizige Reformen umzusetzen. Die französische Regierung hat dies absolut verstanden.


 

In diesem neuen Zusammenhang werden wir größeren Druck sehen, den Einfluss der Geldpolitik zu reduzieren.


 

Diese war unglaublich expansiv und hat den über die vergangenen Jahre verzeichneten Fortschritt angetrieben. Viele haben jedoch das Gefühl, dass diese ehrgeizige Politik zu weit geht, so dass der Druck steigen wird, Anreize aus der Geldpolitik zu drosseln. Das Wachstum bleibt in den entwickelten Ländern begrenzt (laut IWF 2% im Jahr 2018 gegenüber 2,9% im Durchschnitt zwischen 1980 und 2007), während die Inflation auf diesen Märkten noch immer zu schleppend ist (laut IWF 1,7% im Jahr 2018 gegenüber 2,9% im Durchschnitt zwischen 1980 und 2007), so dass im Bemühen, zu rasch zu handeln, eine Gefahr steckt. Ich glaube daher nicht an einen massiven Anstieg der Zinssätze, da eine spürbare Erhöhung ein gewaltiges Risiko für das makroökonomische Gleichgewicht wäre.

Wie anpassungsfähig und wendig wird also die Weltwirtschaft sein? Eine weitere Grundlage für das solide Wachstum sind die nachhaltig niedrigen Zinssätze. Eine abrupte Anhebung würde sich nachteilig auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken. Dieses starke Wachstum geht jedoch mit einem lustlosen Produktivitätsprofil einher. Mit einer soliden Wirtschaft muss ein anhaltender Produktivitätsanstieg verbunden sein, und Innovation sollte der Schlüssel zu diesem Aufschwung bilden. Dies ist jedoch noch nicht der Fall und wir wissen nicht, wann sich der positive Einfluss auf die Produktivität bemerkbar machen wird – ob in zwei Jahren, in fünf oder zehn lässt sich nicht sagen.

Vor diesem Hintergrund könnte eine abrupte Änderung der Bedingungen der Geld- und Währungspolitik die derzeitige positive Entwicklung unterbrechen. Daher wird in den USA die Nominierung neuer Mitglieder in das Fed Board in Washington erhebliche Auswirkungen haben. Wird sich das neu besetzte Board an die Zusagen der vormaligen Mitglieder halten? Und wird es die Steuerung der Geldpolitik mit der allmählichen Normalisierung fortführen, die Finanzmärkte in ruhigere Bahnen gelenkt hat? Auf dieser Seite des großen Teiches möchte die EZB keine übereilten Änderungen vornehmen, da das Wachstumsprofil ihrer Auffassung nach viel länger bis zur Normalisierung brauchen wird, als man gemeinhin glauben möchte.

Europa muss sich mit zweierlei Änderungen im weltweiten Kontext befassen

Aus wirtschaftlicher Sicht geht es für den Kontinent nicht mehr darum, einen Rückstand aufzuholen, wie dies 2016 und 2017 der Fall war. Die Wachstumsdynamik wird eine ganz andere sein und weit mehr vom weltweiten Umfeld abhängen. Anders gesagt, die Wirtschaftspolitik in Europa muss ihre Rolle wieder übernehmen und die einzelnen Volkswirtschaften müssen sich bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz neuen Rahmenbedingungen anpassen. Der andere Punkt ist, dass sich die Lage der Weltwirtschaft in dieser Zeit nach der Krise drastisch zu Gunsten Asiens verändert hat. Die nachstehende Grafik zeigt, dass diese radikale Veränderung parallel zur Krise verlaufen ist. Die entwickelten Länder sind nicht mehr der Antrieb für das weltweite Wachstum, so dass der Prozess, auf Schocks zu reagieren und damit umzugehen, schmerzlicher sein wird als zuvor, da diese Länder nicht mehr hauptsächlich wachstumsbestimmend sind und das Durchschnittswachstum geringer ausfällt.

Natixis Asset Management Industrie Entwicklung weltweit

Die sich dramatisch verändernde politische Landschaft ist eine Quelle von Chancen für Europa. Die Zeit nach der Krise hat weniger kooperative, sondern eher "diktatorische" Züge. Die USA spielen beim politischen Kooperationsspiel nicht mehr mit, noch nicht einmal mit ihren üblichen Partnern. Die klaren protektionistischen Tendenzen ihres Steuerreformprogramms fördern US-Firmen zum Nachteil der restlichen Welt und insbesondere der entwickelten Länder, und spiegeln eine aggressivere Haltung als in der Vergangenheit wider.

 

In China hat mittlerweile Xi Jinping seine Position weiter gefestigt und China in Richtung Globalisierung einen Schritt vorangebracht.


 

Diese Verschiebung hin zu einer Welt mit weniger Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist auch im Schritt des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der Europäischen Union zu erkennen. Die Briten glauben, es gehe ihnen außerhalb kooperativer Kanäle besser.

Dass die politischen Karten der Welt derzeit neu gemischt werden, muss als Chance für Europa gesehen werden und dafür muss Deutschland nun seine Regierung bilden und eine entschieden europäische Haltung einnehmen. Dies ist für eine Förderung der Zusammenarbeit in Europa unerlässlich, an was es der Welt insgesamt mangelt. Es würde auch helfen, den Populismus auf dem alten Kontinent zurückzudrängen, wie wir ihn in Österreich erleben und möglicherweise in Italien nach den Wahlen vom 4. März sehen werden.

Europa und Frankreich können eine Schlüsselrolle in dieser wirtschaftlichen und politischen Weltordnung spielen. Sie müssen die aktuelle robuste wirtschaftliche Konjunktur nutzen, um die zur Aufrechterhaltung eines kooperativen Ansatzes erforderlichen Schritte zu ergreifen und die notwendigen Institutionen einzurichten.

 

Die Förderung der Zusammenarbeit ist eine der größten Herausforderungen, da eine ganze Reihe von Problemen nicht mehr nur auf Ebene der einzelnen Staaten angegangen werden können:


 

Klima, Terrorismus, Globalisierung, Umweltverschmutzung und Sicherheit müssen auf globaler Ebene angegangen werden. Eine schwächere weltweite Zusammenarbeit bei diesen Fragen ist sehr besorgniserregend, da sonst keines dieser Probleme effektiv gelöst werden kann. Dieser optimistische Blick auf die Wirtschaft im kommenden Jahr muss also mit Blick auf eine Welt in Zusammenhang gesetzt werden, in der es entgegen den bisherigen Erwartungen durchaus gegenläufige Bewegungen und Lösungsansätze gibt. Europa muss hier eine treibende Kraft sein, da sich Europäer durchaus darüber im Klaren sind, dass eine weniger kooperative Welt keine positive ist.

(Quelle: Natixis Investment Managers versorgt Anlagespezialisten mit erkenntnisreichen Einsichten zum Aufbau von Portfolios. Mit der Expertise von 26 spezialisierten Investmentmanagern weltweit nutzt Natixis Active Thinking℠, um proaktive Lösungen zu liefern, die Kunden dabei helfen, bessere Ergebnisse an allen Märkten zu erzielen. Natixis zählt zu den weltweit größten Vermögensverwaltern, mit einem verwalteten Vermögen von 961,1 Mrd. US-Dollar.)

Disclaimer

Veröffentlichungen und Mitteilungen über Finanzprodukte und Kapitalmarktanalysen dienen der Informationsgebung, entweder durch Dritte oder durch eigene Beschreibungen. Die hier aufgeführten Äußerungen, Analysen und Produktbewertungen sind ausschließlich Meinungen und Ansichten des Herausgebers bzw. Produktgebers. FMM-Magazin.de führt keine Finanzberatung durch, ruft nicht zum Erwerb oder zum Verkauf von Anlageprodukten oder Wertpapieren auf. Interessierte Anleger sollten sich grundsätzlich Emissions-/Produktprospekte genau anschauen. Die Aufsichtsbehörde für das Versicherungs- und Finanzwesen ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn.

 

  • Europa
  • Finanzmärkte
  • Wirtschaft
 
Artikel »   Drucken Versenden

 


Kommentar schreiben »



Kommentar:
Bei einer Antwort möchte ich per Email benachrichtigt werden an
      meine Emailadresse: (wird nicht veröffentlicht)

Bitte übertragen Sie die dargestellte Zeichenfolge in das rechte Feld:

* Bitte halten Sie sich an die Netikette und vermeiden persönliche Anschuldigungen, Beleidigungen und Ähnliches. Verbreiten Sie außerdem keine Unwahrheiten, Vermutungen, Gerüchte sowie rufschädigende oder firmeninterne Informationen. Beachten Sie die Rechte Anderer und urheberrechlich geschützter Quellen. Bei rechtlichen Verstößen haften Sie in vollem Umfang. Aus diesem Grund sind wir gezwungen, Ihre IP-Adresse und Ihren Provider zu speichern. Mit dem Speichern Ihres Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regelungen einverstanden.

 

Weitere Artikel zum Thema:

nach oben
Stichwortsuche in unseren >9.000 Fachbeiträgen
Finanzbildung an Schulen für Lehrer und Schüler
Hoch im Kurs ist ein Projekt zur Förderung der finanziellen Allgemeinbildung bei Schülerinnen und Schülern. Es ist eine Initiative des Bundesverband Investment und Asset Management e.V.

Zum Webauftritt...
Leuchtturmprojekte für ökonomische Bildung


Schulserviceportal des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR).

Zur Internetseite...



Initiative Schul|Bank des Bundesverband deutscher Banken.

Zum Blog...

Börsen-Hintergund: Wie arbeitet ein Fondsmanager
Durch den Kauf eines Fondsanteils erwirbt der Anleger einen Anteil am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft (KAG). Dieses Fondsvermögen wird von einem Fondsmanager verwaltet.

Artikel aus der Rubrik Finanzwissen
Thema Geldanlage: Wissen zum Trading
Finanzwissen
Glossar Wirtschaft und Finanzen
Börse: Handel mit Aktien
Börse für Privatanleger
Einen span­nenden und verständ­li­chen Einblick für Anleger in die Welt des Börsen­han­dels bietet das offene Xetra-Order­buch der Deut­schen Börse.

Los geht´s...
Die Wissensbox
Derivate: Grundlagen und Publikationen
Der Deutsche Derivate Verband bietet eine kostenlose Broschüre zum Thema derivative Wertpapiere wie Zertifikate oder strukturierte Anleihen an.

Zur Vorstellung...

"Discount Zertifikate – die Klassiker“ richtet sich insbesondere an all diejenigen, die selbst noch kaum Erfahrungen mit Zertifikaten gemacht haben.

Zur Vorstellung...

Informationen zur Abgeltungsteuer
 
Finanzen Markt & Meinungen - Das Praxismagazin für Finanzthemen
Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

Portalsystem 2024 © FSMedienberatung
Contentservice: Javascript Newsticker für Ihre Internetseite RSS Feed XML 0.9
0,316 Sek.