Was passiert mit Russland, nachdem Putin ein Importverbot für Lebensmittel und Agrarprodukte aus der EU ausgesprochen hat? Der Russland-Experte Prof. Joachim Zweynert sieht einen wirtschaftlichen Teufelskreis für die russische Wirtschaft. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
07.08.2014 16:43 Uhr
SANKTIONEN GEGEN RUSSLAND

Russland: Prof. Joachim Zweynert erwartet wirtschaftlichen Teufelskreis

Witten/Herdecke, 07.08.2014 16:43 Uhr (Gastautor)

Prof. Dr. Joachim Zwey­nert, Professor für Inter­na­tio­nale Poli­ti­sche Ökonomie an der Univer­sität Witten/Her­decke, erwartet für Russ­land einen wirt­schaft­li­chen Teufels­kreis aus Infla­tion, Import­ver­teue­rung und Kapi­tal­flucht durch die EU-Sank­tionen.

Nachdem die EU Sanktionen gegen Russland durchgesetzt hat, halt das Echo zurück. Russland verhängte Importverbote für Lebensmittel und Agrarprodukte aus EU-Mitgliedstaaten.

Dazu ein Statement der EU-Kommission: „Die Europäische Union bedauert die Ankündigung der Russischen Föderation, mit Strafmaßnahmen auf den Import von Lebensmitteln und Agrarprodukten abzuzielen. Die Ankündigung ist eindeutig politisch motiviert. Die Kommission wird die Maßnahmen auf ihren vollständigen Inhalt und Umfang untersuchen, so bald ihr weitere Informationen darüber vorliegen. Wir unterstreichen, dass die Sanktionen der Europäischen Union in direktem Zusammenhang mit der unrechtmäßigen Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ukraine stehen...".

Joachim Zweynert, Professor für Internationale Politische Ökonomie und Direktor des Wittener Instituts für institutionellen Wandel (WIWa) der Universität Witten/Herdecke traf am 04. August in der Sendung "Kontrovers" mit dem CDU-Europaabgeordneten Michael Gahler, sowie Dmitri Tultschinski, Deutschland-Korrespondent der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya („Russland heute“) zusammen, um über die Wirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland zu diskutieren.

Zweynert: Bereits die Ankündigung möglicher Sanktionen habe die russische Wirtschaft empfindlich getroffen. In der ersten Jahreshälfte habe die Kapitalflucht mit 75 Mrd. US-Dollar ein drastisches Ausmaß angenommen. Gleichzeitig habe der Rubel in diesem Zeitraum gegenüber dem Dollar rund zehn Prozent seines Werts eingebüßt. Das führe zu einem Teufelskreis, der sich nun noch beschleunigen dürfte: Durch den Kapitalabfluss sinke der Wechselkurs. Das mache Importe teurer und heize die Inflation an; Inflationserwartungen aber beschleunigten die Flucht aus dem Rubel und führten zu weiteren Kapitalabflüssen. Vor diesem Hintergrund sei auch zu verstehen, dass die russische Zentralbank vor wenigen Tagen den Leitzins von 7,5 auf acht Prozent erhöht hat, was sich spürbar negativ auf die Investitionen auswirken dürfe.

Putins Kalkül

Die Sanktionen träfen Russland in einer Phase der ausgeprägten Wachstumsschwäche. Seit der Staat auf die wirtschaftlichen Kommandohöhen zurückgekehrt sei, habe sich das Geschäfts- und Investitionsklima in Russland massiv verschlechtert, während die Korruption ein nie gekanntes Ausmaß angenommen habe.

Dazu Professor Zweynert: "Russland ist auf einen neo-sowjetischen Entwicklungspfad eingeschwenkt, und wo der endet, wissen wir aus der Geschichte der Sowjetunion...".


 

Ein möglicher kontraproduktiver Effekt der Sanktionen, so der Wittener Russland-Experte, könne darin bestehen, dass Putin die hausgemachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten nun dem Westen in die Schuhe schieben könne.


 

Da rund 40 Prozent der russischen Exporte in die EU gingen, aber umgekehrt nur drei Prozent der EU-Exporte nach Russland, sei klar, dass Russland weit stärker unter den Sanktionen leiden werde als die EU. Gleichwohl könne es gerade bei den kleineren und mittleren deutschen Maschinenbauern durchaus zu Härtefällen kommen, so Zweynert. Was die europäische, gerade jedoch die deutsche Abhängigkeit von russischen Öl- und Gas-Exporten anbelangt, sei nun Solidarität innerhalb der EU gefragt. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass man in einer Übergangsphase vermehrt darauf angewiesen sein könnte, Atomstrom aus europäischen Nachbarländern zu importieren.

(Quelle: EU-Kommission / Prof. Dr. Joachim Zweynert)

 

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