Das Thema Insolvenz verliert durch mehr Transparenz seine Angst. Vor allem des Bild des Insolvenzverwalters hat sich verändert. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
21.04.2016 12:52 Uhr
INSOLVENZRECHT UND VERFAHREN

Thema Insolvenz: Die Generation der Isolvenzverwalter ändert sich

Düsseldorf, 21.04.2016 12:52 Uhr (Frank Schulz)

Pleite, bank­rott oder schlichtweg insol­vent. Das Wort Insol­venz hat spätes­tens seit der Finanz­krise im Jahr 2008 ein breites Publikum erreicht. Anleger verlieren Geld und Gläu­biger gehen bei Firmen­in­sol­venzen leer aus. Das Bild des Insol­venz­rechts hat sich jedoch geän­dert.

Informationen zum Autor:
Herausgeber seit 2007 und Gründer von FMM-Magazin. Projekte in der Finanz-/Medienindustrie seit 2003 u.a. bei Gruner + Jahr (Financial Times Deutschland) und der OnVista Group. Editor von über 8.000 Fachartikeln zum Thema Finanzwissen, Nachhaltigkeit, Innovation und Wirtschaft.

Das Image eines Insolvenzverwalters war früher eher dieser: Er kommt, macht alles platt, kassiert einen Haufen Geld und die Scherben kehren andere auf. Dieser Eindruck entsteht, wenn zu wenig Transparenz in den Aufgaben einer Person oder einer ganzen Branche herrscht. Spätestens durch diverse Reformen des Insolvensrechts hat sich das Bild der Branche verändert.

Was bedeutet Insolvenz?

Es existieren im Kern zwei Arten: die Unternehmensinsolvenz und die Verbraucherinsolvenz. Der nächste Unterschied ist das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Regelinsolvenzverfahren wird auf juristische und natürliche Personen angewandt, die selbstständig sind oder es waren und bei denen viele Gläubiger (> 20) existieren (siehe § 304 Abs. 2 InsO).

Insolvenz muss angemeldet werden, wenn eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit besteht. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Zahlungsunfähigkeit bedeutet, wenn fällige Zahlungsverpflichtungen nicht innerhalb von vier Wochen zu 90 Prozent erfüllt werden können. Fällige Zahlungsverpflichtungen sind dabei alle Geldschulden, die der Gläubiger sofort einfordern kann. (Quelle: Insolvenz Ratgeber).

Im Übrigen müssen Privatpersonen keine Insolvenz anmelden während juristische Personen (Aktiengesellschaft oder GmbH) dazu verpflichtet sind.

Statista Insolvenzen in Deutschland bis Januar 2016

In Deutschland ist das Thema "insolvent sein" immer noch mit Scheitern gleichgestellt. In den USA beispielsweise werden Unternehmer, die einmal pleitegegangen sind sehr geachtet. Sie verfügen über persönliche und unternehmerische Erfahrungen, die zukünftige Handlungen und Einstellungen positiv beeinflussen. Der Gründer des Karrierenetzwerkes Xing, Lars Hinrichs hat auf dem Mittelstands-Summit im Jahr 2014 gesagt: "Wir haben keine Scheiternkultur, deshalb gibt es weniger Unternehmensgründungen." Angst vor sozialer Verachtung und institutioneller Negativbewertung (Wirtschaftsauskunfteien, Banken, Schufa, Kommunen ...) lassen Unternehmer den Blick auf die Chance einer Insolvenz verdunkeln.

Chancen der Insolvenz für Gläubiger und Schuldner

"Über 77 Prozent der Insolvenzverwalter berichten, dass die Insolvenzanträge mangels Vertrauen in das Verfahren zu spät gestellt werden oder aber, weil es den Betroffenen an den nötigen Informationen gefehlt habe." (Quelle: heise.de/Marzena Sicking). Denn: Mit dem Insolvenzantrag wird wertvolle Zeit gewonnen, um einen Überblick über die Aktiva und Passiva sowie die notwendige Orientierung für das weitere Verfahren zu finden, etwa um weitere Sanierungen bzw. Restrukturierungen zu prüfen oder neue Geldgeber zu finden.

"Der Insolvenzplan soll insbesondere zum Erhalt des Unternehmens beitragen und einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und der Gläubiger schaffen ...", so das Bundesministerium der Justiz. Es geht nicht darum das Unternehmen so schnell wie möglich aus der Wertschöpfungskette zu nehmen, sondern schon alleine der Arbeitnehmer wegen und der Assets, also der Werte wegen fortzuführen. Ein Beispiel dafür ist die Insolvenz der "Prokon Regenerative Energien GmbH" aus Itzehoe. Das Unternehmen hatte über das Finanzprodukt "Anleihe" Geld von Anlegern eingesammelt um damit in erneuerbare Energien zu investieren. Das ging schief. Nachdem Rettungsversuche gescheitert waren, wurde im Januar 2014 ein Insolvenzantrag gestellt. Darin ging es vorrangig darum, sich einen Überblick über die (finanzielle) Situation des Unternehmens zu verschaffen und das vorhandene Vermögen zu sichern. Am 01. Mai 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Doch endete dieses Verfahren nicht mit der Liquidation. Die Gläubiger sprachen sich auf der Gläubigerversammlung für einen Insolvenzplan aus, mit dem Prokon in eine Genossenschaft umgewandelt wurde. Obwohl die Anleger auf 40 Prozent ihrer Forderungen verzichtet haben, baut man nach wie vor auf das Geschäftsmodell.

Statista Insolvenz nach Bundesländer

Was sind das für Menschen - die Insolvenzverwalter? Laut einem Insolvenzverwalter sind es vier Kernkompetenzen, die wichtig sind:

  • Erstens muss man ein guter Jurist sein.
  • Zweitens ist wichtig einen guten Zugang zu Zahlen zu haben, also die kaufmännische Seite abdecken zu können.
  • Das Dritte: Man muss sich und andere gut organisieren können. Denn es ist kein Beruf, den man alleine ausübt.
  • Viertens: "Wir haben es mit Menschen zu tun! Ohne ein gehöriges Maß an sozialer Kompetenz wird es dem Insolvenzverwalter nicht gelingen, den oft konfliktreichen Sanierungsprozess zu moderieren."
(Quelle: audimax.de/Inga Bertz)

Die Instrumente des Insolvenzverwalters

Dem Insolvenzverwalter stehen unterschiedliche Instrumente zur Sanierung eines Unternehmens zur Verfügung. Die insolvenzrechtlichen Werkzeuge zur Sanierung sind Schutzschirm (ESUG), Eigenverwaltung und Insolvenzplan.

Beim Schutzschirm stellt das Insolvenzgericht auf Antrag umfangreiche Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass das sanierungsfähige Unternehmen lediglich drohend zahlungsunfähig ist und dass dies ein Experte bescheinigt. Bei Erfolg können Unternehmen ihre Geschäfte schuldenfrei fortführen und die Gläubiger erhalten mehr als in der Regelinsolvenz.

Mittels der Eigenverwaltung ist es dem Unternehmen möglich, das Insolvenzverfahren selbst zu organisieren. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer oder seine Organe geeignet sind und dass keine Nachteile für die Gläubiger drohen. Dem Unternehmer stellt das Gericht einen Sachverwalter zur Seite, der überwacht und unterstützt. (Quelle: Sozietät Voigt Salus).

Der Insolvenzplan kann von dem Insolvenzverwalter oder dem Schuldner vorgelegt werden und muss die bisher getroffenen Maßnahmen darstellen und darlegen, wie die bisherige Rechtsstellung der Beteiligten geregelt werden soll. Er ermöglicht eine abweichend von den gesetzlichen Regelungen vorgesehene Verfahrensabwicklung vor allem, um das Unternehmen zu erhalten.

Eine andere Sichtweise ist das Recht des Insolvenzverwalters auf Anfechtung. Kurz gesagt kann der Insolvenzverwalter Geld vom Gläubiger, das in den letzten 10 Jahren vom jetzt insolventen Unternehmen gezahlt wurde, zurückverlangen. Ziel ist es, alle Gläubiger im Insolvenzverfahren gleichzustellen. Im Prinzip werden alle Gläubiger "auf Null" gesetzt, um die Insolvenzmasse bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erhöhen.

Für Interessierte gibt es einen Entwurf zum "Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz" vom September 2015. Unter anderem beinhaltet der Entwurf das Ziel "... den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen."

Unternehmer können heutzutage auf Unterstützung kompetenter Berater in Sachen Insolvenzrecht bauen. Durch das Internet wird die Transparenz in den Regelwerken gefördert und hoffentlich auch mehr Angst genommen. Allerdings sollte in Deutschland Insolvenz nicht mit finanziellem und sozialem Absturz gleich gestellt werden. Dazu bedarf es einem offenen Umgang mit dem Thema "Scheitern".

(Quellen: Statista / Sozietät Voigt Salus / Bundesminister der Justiz / Insolvenz Ratgeber und wie im Text benannt).

 

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