Robert Halver Marktkommentar: Reduktion der EZB Anleihekäufe ist kein Tapering
Düsseldorf, 13.12.2016 11:36 Uhr (Robert Halver)
Das ursprünglich bis März 2017 terminierte Anleiheprogramm der EZB geht erneut in die Verlängerung, bis mindestens Dezember 2017. Zwar wird das monatliche Aufkaufvolumen ab April 2017 von 80 wieder auf das ursprüngliche Niveau 60 Mrd. Euro gesenkt.

Insgesamt jedoch erwirbt die EZB damit etwa 540 Mrd. Euro mehr Anleihen als bislang geplant. Um Knappheitsprobleme beim Anleihekauf zu vermeiden, lockert sie ihre Kaufrestriktionen. Zukünftig wird sie auch Anleihen mit Renditen unterhalb des Einlagenzinses von minus 0,4 Prozent und mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr - bislang zwei Jahren - erwerben.
Spekulationen, dass es sich bei der Drosselung der Aufkäufe um den Beginn eines versteckten Tapering handelt, widersprach EZB-Präsident Draghi heftig. Im Übrigen sind die Wachstumsprojektionen der EZB unverändert zurückhaltend: 1,7 nach 1,6 Prozent im Jahr 2017, 2018 und 2019 jeweils 1,6 Prozent. Gleichzeitig hat Draghi die Konjunkturrisiken betont. Spanien und insbesondere Italien haben ihre Wirtschaftsleistung von vor dem Krisenjahr 2008 immer noch nicht erreicht. Und durch den Brexit - der seine Negativwirkung erst mittelfristig offenbaren wird - sowie (wahl-)politische Risiken in der Eurozone sind weitere konjunkturelle Reibungsverluste einzukalkulieren. Die prekäre Investitions- und Konsumneigung unterstreicht die anhaltend lethargische Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte.
EZB rechnet nicht mit der Erreichung ihres Inflationsziels
Zwar signalisiert die Reduktion der Anleihekäufe auf monatlich 60 Mrd. Euro, dass sich der große Deflationsdruck abgeschwächt hat. Laut EZB bleibt dennoch eine nachhaltige Inflationsbeschleunigung aus. Gemäß ihrer Inflationsprojektionen rechnet sie in den kommenden drei Jahren trotz zuletzt wieder steigender Energiepreise nicht mit der Erreichung ihres Inflationsziels von zwei Prozent: 1,3 Prozent 2017; 2018 1,5 Prozent und 2019 1,7 Prozent. Grundsätzlich hält die alternative Ölfördermethode Fracking den Deckel auf nachhaltig steigenden Energiepreisen. Damit ist das Kernkriterium für eine restriktive Geldpolitik nicht erfüllt. Auch die Kerninflationsrate - ohne Berücksichtigung von Nahrungsmitteln und Energiepreisen - zeigt seit Ende 2013 einen Seitwärtstrend.
Die weiterhin durch Anleihekäufe künstlich gedrückten Renditen für Staatspapiere ermöglichen in den prekären Euro-Staaten eine sorgenfreie Neuverschuldung, die anderenfalls Ausgabenkürzungen oder Steuerbelastungen nach sich ziehen würden. Damit betreibt die EZB Konjunktur- und Sozialpolitik bzw. Wahlwerbung für das regierende Europa-freundliche Establishment.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de
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