Investoren Analyse: Notenbanken wie die Fed bauen Wertpapierportfolios ab
Boston/FrankfurtMain, 24.07.2017 16:44 Uhr (Gastautor)
Die Bilanzsumme der Notenbank Fed ist enorm gewachsen, auf heute fast 4,5 Billionen US-Dollar. Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres dürfte sie wieder zu schrumpfen beginnen. Was bedeutet das für Investoren?
Nach seiner Junisitzung skizzierte der Offenmarktausschuss, wie sich die US-Notenbank von einem Teil der Wertpapiere in ihrer Bilanz trennen will. Nachdem die Fed ihren Leitzins während der internationalen Finanzkrise bereits auf fast null Prozent gesenkt hatte, erwarb sie für Billionen von Dollar US-Staatsanleihen und Mortgage-Backed Securities (MBS). Damit überschüttete sie das Bankensystem mit Liquidität. Zum Kauf der Anleihen druckte sie Geld in der Hoffnung auf eine Stabilisierung der Wirtschaft und steigende Assetpreise, um eine Deflation zu verhindern.
Weil das Quantitative Easing der Fed und anderer Notenbanken (wie der Europäischen Zentralbank, der Bank of Japan und der Bank of England) maßgeblich zum Anstieg der Wertpapierkurse beigetragen hatte, fragen sich die Investoren jetzt, welche Auswirkungen das Ende dieser unkonventionellen Maßnahmen haben könnte. Die Fed möchte ihre Wertpapierbestände schrittweise und maßvoll senken - und zwar so berechenbar, dass dies die Finanzmärkte nicht irritiert. Nie zuvor mussten die Notenbanken ein so großes Wertpapierportfolio abwickeln wie das, das die Fed nach der Krise aufgebaut hatte. Lassen Sie uns überlegen, welche Fragen sich Investoren zu Beginn des Verkaufsprogramms stellen müssen.
Fakt ist ...
Nach der vierteljährlichen Pressekonferenz im Juni deutete Fed-Chefin Janet Yellen an, dass mit dem Abbau der Staatsanleihen- und MBS-Bestände bald begonnen werden könne. Offen ist aber, ob die Fed ihre Pläne in der September- oder in der Dezembersitzung offiziell bekannt machen wird. Die meisten Beobachter erwarten, dass der Abbau drei bis fünf Jahre dauern wird. Zunächst gab die Fed bekannt, dass sie monatlich für maximal 6 Milliarden US-Dollar US-Staatsanleihen auslaufen lassen will und dass dieser Betrag jedes Quartal um 6 Milliarden US-Dollar steigen soll – auf schließlich 30 Milliarden US-Dollar monatlich. Bei MBS wird mit 4 Milliarden US-Dollar monatlich begonnen, jedes Quartal sollen weitere 4 Milliarden US-Dollar hinzukommen, bis zu schließlich 20 Milliarden US-Dollar monatlich.
Was wir nicht wissen ...
Was macht die Fed, wenn zu viele Titel gleichzeitig fällig werden? Die Fed möchte Obergrenzen einführen und dann ihre Wertpapierbestände geräuschlos verringern. Doch wenn die Obergrenzen steigen, werden sie in vielen Monaten über der Summe der fälligen Titel liegen. Am Ende kann es passieren, dass die monatliche Obergrenze 30 Milliarden US-Dollar beträgt, aber beispielsweise nur für 10 Milliarden US-Dollar Staatsanleihen fällig werden. In der Theorie könnte der Wertpapierbestand in manchen Monaten zwar um 50 Milliarden US-Dollar verringert werden (Staatsanleihen und MBS), doch in der Praxis dürfte der Abbau oft darunter liegen, bisweilen stark. Die Wertpapierbestände würden dann also nicht gleichmäßig verringert. Beispielsweise werden im August 2019 für 70 Milliarden US-Dollar Staatsanleihen fällig. Die Fed muss demnach 40 Milliarden US-Dollar, die über die Obergrenze hinausgehen, wieder anlegen. Aber wird sie das wirklich tun? Und was bedeutet das für die Zinsstrukturkurve?
Wie groß wird die Bilanzsumme am Ende sein?
Vor der Finanzkrise betrug die Bilanzsumme der Fed weniger als 900 Milliarden US-Dollar. In den letzten Jahren hat sie sich dann bei 4,5 Billionen stabilisiert. Noch immer hat die Notenbank die Märkte noch nicht darüber informiert, welche Bilanzsumme sie am Ende will und wie lange es bis dahin dauert. Bis jetzt hat die Fed nur erklärt, dass der Offenmarktausschuss die Bilanzsumme auf ein Niveau unter dem der letzten Jahre, aber über dem aus der Zeit vor der Finanzkrise senken will. Dabei würde man die Nachfrage des Bankensystems nach Liquidität und die Vorstellung des Ausschusses von einer möglichst effizienten und effektiven zukünftigen Geldpolitik berücksichtigen. Über die endgültige Bilanzsumme wird also diskutiert, doch viele Volkswirte glauben, dass sie irgendwo zwischen noch immer sehr beachtlichen 2,5 Billionen und 3,5 Billionen US-Dollar liegen wird. Fest steht, dass der Abbau zu umso weniger Verwerfungen führt, je höher die Bilanzsumme am Ende sein wird. Die Investoren müssen sich auch mit den Auswirkungen der schrumpfenden Bilanzsumme auf das wichtigste Instrument der Fed, die Federal Funds Rate (also den Leitzins), befassen. In den letzten Jahren haben die Offenmarktausschussmitglieder (im Rahmen ihrer Dot Plots) die Federal Funds Rate zu den nächsten drei Jahreswechseln sowie langfristig prognostiziert. Bis heute haben die Mitglieder ihre Leitzinsprognose trotz der Diskussion über den Startzeitpunkt des Bilanzsummenabbaus nicht verändert. Dem Protokoll der Junisitzung zufolge ist man sich über den Gesamteffekt dieser Maßnahme auf die Zinsen uneins: Viele Mitglieder äußerten, dass der Abbau der Bilanzsumme ceteris paribus zu maßvolleren Zinserhöhungen führen würde, als es bei einer konstanten Bilanzsumme zu erwarten sei. Doch andere Kollegen hielten die Auswirkungen des Wertpapierabbaus auf die Zinsen für begrenzt.
Wir schließen uns eher denen an, die mit maßvolleren Zinserhöhungen und einem niedrigeren Endwert der Federal Funds Rate rechnen. Schließlich führte der Aufbau des Wertpapierbestandes de facto zu niedrigeren Zinsen, als der Leitzins durch die Untergrenze von null nicht weiter gesenkt werden konnte. Es scheint daher nur logisch, dass aufgrund der Verringerung der Bilanzsumme in Zukunft nicht so hohe Zinserhöhungen nötig sind. Mit anderen Worten: Wenn die Bilanzsumme um 1 Billion US-Dollar gesenkt wird, könnte dies ein Ersatz für Zinserhöhungen sein, wenn auch nur ein kleiner. Man beachte, wie sehr die Fed stets betonte, dass ihr Quantitative Easing die Liquidität gestärkt hat. Wenn dies nun teilweise zurückgenommen wird, dürfte sich die Liquidität etwas verringern, sodass nicht mehr so starke Leitzinserhöhungen nötig sind.
Wie werden US-Staatsanleihen reagieren?
Wenn die Fed die Rückflüsse aus fälligen Anleihen nicht mehr vollständig reinvestiert, muss das US-Finanzministerium private Abnehmer für die Anleihen finden, mit denen es endfällige Titel refinanziert. Welche Laufzeiten das Finanzministerium dabei wählt, wird für Investoren von großem Interesse sein. Wenn vor allem Kurzläufer begeben werden, dürften sich die Marktverwerfungen in engen Grenzen halten, da die Nachfrage nach kurzlaufenden Qualitätstiteln hoch ist. Entschlösse sich das Finanzministerium aber zur Emission länger laufender Papiere, könnten die Auswirkungen größer sein – insbesondere wenn, wie von Finanzminister Mnuchin ins Spiel gebracht, extralange Titel mit Laufzeiten von 50 Jahren und mehr begeben werden. Dann könnten die Finanzbedingungen erheblich straffer werden, da der Markt deutlich mehr Duration aufnehmen muss. Man sollte auch nicht vergessen, dass das Finanzministerium bei seinen zukünftigen Emissionen nicht nur die Maßnahmen der Fed zu beachten hat, sondern auch einen zusätzlichen Finanzbedarf durch staatliche Ausgabenprogramme, falls die Trump- Administration ihre Pläne am Ende doch noch umsetzen kann.
Wie wird der Markt reagieren?
Eine aktuelle Studie der Fed schätzt, dass das Quantitative-Easing-Programm mit 3,6 Billionen US-Dollar Gesamtvolumen den Langfristzins um etwa 85 Basispunkte gesenkt hat. Wenn die Fed ihre Bilanzsumme um 1,5 Billionen US-Dollar verringert und Quantitative Easing und Quantitative Tightening etwa gleiche Auswirkungen auf die Staatsanleihenrenditen haben – was nicht sicher ist – könnte man ceteris paribus vermuten, dass die Langfristzinsen in den nächsten Jahren um etwa 35 Basispunkte steigen. Bislang hat die Aussicht auf eine Verringerung der Notenbankbilanz die Märkte noch nicht sehr irritiert. Aber wie heißt es so schön: Die Entwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für die Zukunft. Die Fed beschreitet unbekanntes Terrain. Man sollte sich daher nicht zu sicher sein, dass die Märkte auch weiterhin mit großem Gleichmut reagieren. Da die Langfristzinsen im Vergangenheitsvergleich sehr niedrig sind, könnten die Verringerung der Bilanzsumme und der Liquiditätsentzug zu einem gewissen Renditeanstieg führen. Allerdings bleibt der Langfristausblick für Wachstum und Inflation gleichermaßen schwach. US-Wirtschaft und Weltwirtschaft haben noch immer mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Dazu zählen die ungewöhnlich hohe Verschuldung, die ungünstige Demografie und die Disinflation durch Globalisierung und technischen Fortschritt. Wir erwarten, dass die Langfristzinsen auch in Zukunft sehr niedrig bleiben werden.
Erik S. Weisman
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