GECAM Asset Management: Kein Sommermärchen an der Börse
Wangen im Allgäu, 01.08.2014 10:40 Uhr (Gastautor)
Deutschland ein Sommermärchen. Dieses Gefühl konnte man nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft kurzfristig gewinnen. Auch an der Börse herrschte aufgrund der klaren Verhältnisse, Nullzinsen, Wirtschaftswachstum, alternativlose Aktien, Hochstimmung. Im Gegensatz zu den meisten Märchen mit Happy End, hat das Sommermärchen an den Börsen ein ungewisses Ende.
Europa und Deutschland verabschieden sich gerade von den Wirtschaftswachstumsaussichten, die noch zu Jahresanfang so rosig schienen. Die Probleme sind zum größten Teil hausgemacht: Keine wirklichen Reformen in den Kernländern Italien und Frankreich, stattdessen Lippenbekenntnisse zur eigenen Stärke und frischer Mut nach der Europawahl neue Verschuldungsorgien zu fordern, vorzugsweise zu Lasten Deutschlands. Doch auch der sogenannte Musterschüler ist auf dem besten Weg, den Erfolgsweg nach der Agenda 2010 zu verlassen und dem Negativbeispiel der Politik in der Peripherie vor der Finanzkrise zu folgen: Regulierung, Umverteilung, Sozialisierung, Staatsdirigismus. Frei nach dem Motto – „wenn´s dem Esel zu Wohl wird, geht er aufs Eis…“, wird aktiv in Marktpreismechanismen zentraler Art eingegriffen.
Mietpreise werden nach oben gedeckelt (Mietkostenbremse), Arbeitspreise werden nach unten gedeckelt (Mindestlohn), Renten werden willkürlich erhöht und neue Empfängerschichten erfunden (Mütterrente, Rente mit 63) und nun kommt auch noch die Bundesbank. Diese fordert erstmals in ihrer Geschichte steigende Löhne für eine ganze Nation und schlägt auch gleich noch eine konkrete Zahl von drei Prozent vor. Willkommen in der Deutschen Sozialistischen Republik! Bisher hat der Aktienmarkt diese Entwicklung ganz gut weggesteckt. Immerhin war der DAX noch am 30. Juli leicht im Plus. Man muss jedoch beachten, dass die Unternehmen im DAX ihre Geschäfte hauptsächlich außerhalb Deutschlands und Europas machen. Da haben die Kurse im M-DAX, also dem deutschen Nebenwerteindex, bereits deutlicher die Belastungsfaktoren für die deutsche Wirtschaft zu spüren bekommen und liegen vier Prozent im Minus.
Als ob das noch nicht reicht, werden jetzt auf Druck der Amerikaner Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, die insbesondere die deutsche Wirtschaft überdurchschnittlich belasten werden. In Summe trägt das Russland-Geschäft zwar nur gut drei Prozent zur jährlichen Wirtschaftsleistung bei. Dies jedoch isoliert zu betrachten ist fatal und kann nur statisch denkenden Menschen mit mangelndem ökonomischen Sachverstand (meistens Politiker) gelingen. Natürlich wird es im Extremfall nicht bei diesen drei Prozent bleiben. Eine dynamische Negativspirale könnte in Gang kommen, die aus Gegenreaktionen Russlands (steigende Energiepreise, Abzug von Kapital aus der Europa), einer Stimmungsverschlechterung in der Realwirtschaft (noch geringere Investitionen, geringe Kreditnachfrage, Arbeitsplatzabbau), Ängsten an den Finanzmärkten (weiterer Kapitalabzug aus Europa, Rückzug aus deutschen Aktien) und geringerer Kreditvergabe der Banken besteht.
Diese müssen übrigens im Oktober einen Stresstest der EZB bestehen, der in seiner Ausprägung und seinen Folgen per se noch sehr unbestimmbar ist. Das alles führt zu erheblichen wirtschaftlichen Risiken, die wiederum die Staatshaushalte massiv belasten werden und weiterer expansiver Neuverschuldung Vorschub leisten. Herr Schäuble wird sich wohl von einem ausgeglichenen Haushalt verabschieden müssen – natürlich wird dies dann mit externen und übergeordneten, nicht vorhersehbaren Entwicklungen entsprechend begründet werden.
USA mit Risiken aus dem Wachstum
Über dem großen Teich wird indes ein anderes Märchen zelebriert – die Angst vor dem Zinserhöhungs-Wolf, weil die Konjunktur zu gut läuft und Inflation droht. Das starke Wachstum im zweiten Quartal von vier Prozent hat überrascht. In normalen Zeiten hätten die Börsen jubiliert, vor allem ein sehr stark von weltweiten Konjunkturzyklen beeinflusster deutscher Aktienindex hätte überdurchschnittlich gewonnen. Nicht so im Sommer 2014. Die Gründe für einen Abzug des Kapitals aus Deutschland und Europa sind genannt, was die dortigen Aktienmärkte in Agonie zurücklässt. Aber auch gute Konjunkturdaten aus den USA schüren eher Ängste als Hoffnung.
Mit Zinserhöhungen umzugehen, hat die Anlegergemeinde verlernt. Das neue Anlagemuster gleicht einem konditionierten Hund, der in den letzten Jahrzehnten nur noch mit einem Pawlowschen Reflex auf Zentralbank-Liquiditätsspritzen positiv bzw. bei gegenteiligen Aktionen negativ reagiert, Zinserhöhungen aufgrund von Wirtschaftswachstum wären hingegen gut und gesund, um einerseits Blasenbildungen zu verhindern, die sowieso in vielerlei Hinsicht (Rentenmärkte, bestimmte Immobilienmärkte) bereits vorhanden sind und um andererseits Wirtschaftswachstum zu verstetigen. Ein funktionierender Marktzins ist nämlich zentral notwendig für alle nachgeordneten Preismechanismen in der Realwirtschaft.
Politik vermiest die Stimmung im Sommer 2014
Gerade also in einer saisonal ohnehin schwierigen Phase für die Börsen von August bis September, vermiest die Politik den Märkten die Stimmung. Wichtiger wäre in dieser Zeit gute und hoffnungsvolle Geschichten und Märchen zu erzählen. Zum Beispiel die Erzählung von den Chancen und der Bedeutung einer zukünftigen Zusammenarbeit mit unserem Nachbarn, dem größten Land der Welt (Russland). Beginnend mit einem konstruktiven Vorschlag zu einem föderalen Staat in der Ukraine, mit der alle Welt gut leben kann. Leider erzählen auch die westlichen Betonköpfe (allen voran der zu Kompromissen jedweder Art unfähige Obama) nur die Geschichte von „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Auch wirtschaftspolitisch sollten die Staaten der Eurozone endlich von ihrem Allmachtsglauben Abstand nehmen, alles regeln zu sollen und vor allem zu können! Überlasst wieder mehr Verantwortung den Menschen, den Unternehmen und dem Markt, um Ressourcen dort vernünftig einzusetzen wo sie gebraucht werden und nicht fehlgeleitet werden von ideologisch verblendeten Parteien.
Weniger Politik wäre in diesen Monaten mehr. Mehr Sicherheit und Wohlstand für die Menschen und vor allem mehr Zuversicht! Denn dieser Faktor wird immens unterschätzt. Haben Unternehmen und Privatpersonen Zukunftsängste, wird weniger investiert und weniger konsumiert. Frei nach Ludwig Erhard ist Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie. An der Börse sind es zumindest kurzfristig 100 Prozent.
Autor: Daniel Zindstein ist verantwortlich für das Portfoliomanagement der vier Dachfonds des unabhängigen Finanzdienstleisters GECAM AG.
(Quelle: GECAM AG)
Redaktionshinweis: Diese Mitteilung dient der Informationsgebung. Finanzen Markt & Meinungen ruft nicht zum Erwerb oder zum Verkauf von Anlageprodukten oder Wertpapieren auf. Interessierte Anleger sollten sich grundsätzlich Emissions-/Produktprospekte genau anschauen.
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