Welcher Staat kann seine Anleihen zurückzahlen und bei welchen müssen Anleger einen Verlust befürchten? Antworten wollen Wirtschaftswissenschaftler der TU Chemnitz anhand eines Korruptionsindex gefunden haben. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
03.03.2011 09:50 Uhr
SICHERHEIT VON STAATSANLEIHEN

Wissenschaft zeigt Indikatoren für Anleger welche Staatsanleihen Probleme machen

Chemnitz, 03.03.2011 09:50 Uhr (Finanzredaktion)

Welcher Staat kann seine Anleihen zurück­zahlen und bei welchen müssen Anleger einen Verlust befürchten? Antworten wollen Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der TU Chem­nitz anhand eines Korrup­ti­ons­index gefunden haben.

"Angesichts der Griechenlandkrise suchen viele nach Indikatoren für die Sicherheit von Staatsanleihen. Wird Griechenland zurückzahlen? Sind portugiesische Anleihen sicher? Was machen die USA mit ihrem riesigen Schuldenberg? Für viele Investoren ist die Beantwortung dieser Fragen essentiell", sagt Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz. Die Professur hat eine Analyse erstellt, die den internationalen Korruptionsindex von Transparency International und die Umschuldungshäufigkeit von Staatsschulden, die beim Pariser Club erfasst werden, in Verbindung setzt. Das Ergebnis: Je mehr Korruption in einem Land herrscht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Staat seine Schulden nicht begleicht und sich auf Kosten der Gläubiger saniert.

"Der Zusammenhang ist statistisch hoch signifikant", sagt Professurmitarbeiter Johannes Weigl und ergänzt: "Wir waren vollkommen überrascht. Das Bestimmtheitsmaß beträgt 85 Prozent. Jetzt können wir das Umschuldungsrisiko statistisch exakt bestimmen. Das kann den Finanzmärkten nützen, das Risiko von Staatsanleihen zu quantifizieren." Der Korruptionsindex zeigt an, wie Geschäftsleute die Korruption in einem Land wahrnehmen. Er nimmt Werte von 0 bis 10 ein, wobei 10 die geringste W

Irland gehört mit einem Korruptionsindex von 8 zu den korruptionsfreiesten Ländern der Welt. "Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die Iren nicht ohne Not auf Kosten der Gläubiger sanieren werden", konstatiert Thießen. Die irische Krise sei weniger durch Staatsverschuldung, als durch Bankenfehlverhalten verursacht worden. "Die Problemschulden sind überwiegend keine des Staates, sondern der privaten Wirtschaft. Irland sollte deutlich zwischen den staatlichen und den privaten Schulden unterscheiden, um sich seinen Credit zu erhalten", rät Thießen.

Portugal zählt dagegen mit einem Korruptionsindex von 6 nicht mehr zu den korruptionsfreien Ländern. Die Wahrscheinlichkeit, dass Portugal Anstrengungen unternimmt, sich seine Lasten auf Kosten der Gläubiger zu erleichtern, beträgt laut der Analyse etwa 24 Prozent. Griechenland ist mit einem Korruptionsindex von 3,5 ein Land mit starker Korruption. "Damit liegt Griechenland in einer Gruppe von Ländern, die sich in der Vergangenheit mehrheitlich ihrer Lasten durch Umschuldung entledigt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die griechischen Abgeordneten zu dem Instrument der Umschuldung greifen und beschließen, sich auf Kosten ihrer Gläubiger zu sanieren, beträgt 52 Prozent", sagt Thießen und fügt hinzu: "Angesichts dieses hohen Umschuldungsrisikos müssen die Hilfen der EU-Staaten als kritisch angesehen werden. Es muss damit gerechnet werden, dass Griechenland die Umschuldung nur solange aufschiebt, wie frisches Kapital zugeschossen wird."

Nur wenige Industrieländer sind korruptionsfrei. "Alle die Länder, die derzeit auf die Installierung eines europäischen Rettungsfonds drängen – also vor allem Italien, Spanien und Griechenland – stehen im Korruptionsindex auf bedenklich niedrigen Werten. Es muss vermutet werden, dass der Rettungsfonds in einigen Ländern der EU auch als ein Instrument begriffen wird, sich seiner Lasten auf einfache Weise entledigen zu können", so Thießen. Die EU ist in Bezug auf die Korruption zweigeteilt. "Es erstaunt, wie viele Transferleistungen in die korrupten Länder die korruptionsfreien Länder der EU zulassen", urteilt Weigl.

Warum gibt es eine Beziehung zwischen dem Korruptionsindex und der Umschuldungshäufigkeit von Staatsschulden? "In Ländern mit Korruption herrscht ein Klima, in dem man sich nicht den Zwängen der Märkte aussetzen möchte. Man sucht marktfremde Lösungen, seine Ziele zu erreichen. Die Wirtschaftssubjekte sind dahin erzogen, sich Ressourcen anderer leistungslos anzueignen. Es werden tendenziell egoistische und weniger gemeinwohlorientierte Ziele verfolgt", erklärt Thießen, "die Gruppe, die Familie oder der Clan stehen im Vordergrund." Diesen Personen gegenüber sei man verpflichtet, während wildfremde Gläubiger nicht zum eigenen Clan gehörten. "Die Frage, ob man seine Schulden zurückzahlt oder nicht, ist nicht nur eine Frage der verfügbaren Ressourcen, sondern auch eine Frage der Einstellung zu seinen Verpflichtungen. Es ist also mehr eine Frage des Wollens als des Könnens. Der Korruptionsindex kann als Indikator dienen, der dieses Wollen zum Ausdruck bringt", ergänzt der Wirtschaftswissenschaftler. Das erkläre auch, weshalb es kaum Zusammenhänge gebe zwischen Indikatoren wie der Höhe der Staatsschuld vor der Umschuldung, der Verschuldung pro Kopf oder der Höhe des laufenden Haushaltsdefizits zur Wahrscheinlichkeit, ob ein Staat seine Schulden zurückzahlen wird oder nicht.

(Quelle: Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Chemnitz)

 

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