Robert Halver Börsenausblick | Aktien und Geldpolitik im 2. Halbjahr 2017
FrankfurtMain/München, 05.07.2017 12:03 Uhr (Robert Halver)
Geldpolitische Trendwende im Schonwaschgang
Der Zinserhöhungszyklus der Fed wird sich angesichts der verzögerten US-Konjunkturoffensive vergleichsweise schwach fortsetzen. Bereits jetzt ist die durch die amerikanischen Leitzinserhöhungen seit Ende 2016 abflachende US-Zinsstrukturkurve (10-jährige US-Staatsanleiherendite minus US-Notenbankzins) wirtschaftsbehindernd. Die Aufnahme kurzfristigen zinsgünstigen Geldes und Anlage in längerfristig höherrentierliche Investments - die sogenannte Fristentransformation - ist weniger attraktiv.
EZB-Präsident Draghi betont, dass eine weniger freizügige Notenbankpolitik nur dann stattfindet, wenn die Erholung von Konjunktur und Preisen gesichert ist. Ein wirklicher Inflationsschub scheiterte bislang an schwachen Ölpreisen infolge mangelnder Förderkürzungen der Opec und einem Ölüberangebot durch die Alternativfördermethode Fracking. Damit verleiht der mangelnde Inflationsdruck - laut Projektionen der EZB wird das Inflationsziel von zwei Prozent bis 2019 nicht erreicht - Alibis, die geldpolitische Trendwende zu verlangsamen.
Italien verhindert die wirkliche Zinswende
Ohnehin ist die Eurozone (finanz-)politisch noch nicht aus dem Schneider. Frankreich hat zwar „richtig“ gewählt, Europa kann Griechenland zur Not auch ohne IWF stabilisieren und der Brexit ist aufgrund des langen Scheidungsprozesses noch nicht konkret spruchreif. Doch das nächste Problemkind heißt Italien. Als drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist dieses Land Euro-systemrelevant. Seine (finanz-)wirtschaftliche Verfassung ist verheerend. Italien ist abgesehen von Griechenland das ökonomische Schlusslicht in der Eurozone. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 11 Prozent und die Staatsschulden bei fast 2,3 Bill. Euro.
An Reform-, Stabilitäts- oder Sparmaßnahmen ist in Italien zurzeit nicht zu denken. Da diese erst langfristig wirken, stellen sie kurzfristig sozialen Sprengstoff dar. Von persönlicher wirtschaftlicher Misere haben die Italiener genug. Stabilität macht eben nicht satt.
Und vor den vermutlich im März 2018 stattfindenden Nationalwahlen will man keine populistischen Euro-feindlichen Hunde wecken. Vor diesem Hintergrund ist die EZB so etwas wie ein Euro-freundlicher Wahlhelfer. Die Notenbank wird jede Verunsicherung an den italienischen Anleihemärkten mit negativem Streueffekt auf die sowieso geschwächte Volkswirtschaft verhindern. Ihre Rolle in der finanzwirtschaftlichen Stützung des Landes und ebenso in der Verhinderung eines Austritts Italiens aus EU und Eurozone nimmt sie sehr ernst.
Nach der Bundestagswahl im September wird sich Deutschland in der italienischen Schuldenfrage weniger stabilitätsorientiert zeigen. Die Berliner Realpolitik ist sich bewusst, dass Italien als Außengrenzland der Eurozone Drohpotenzial in Flüchtlingsfragen aufzuweisen hat. Anpassungen der Kreditverträge oder Anleihekonditionen wie in Griechenland im Sinne von Schuldenstreckungen, Zinsreduzierungen oder gar Schuldenstreichungen wird man aber nicht verfolgen. Denn wenn schon ein großes Land wie Italien diese künstlichen Gehhilfen benötigt, ist aller Finanzwelt vor Augen geführt, dass die Eurozone ernste substanzielle Finanzprobleme hat. Vielmehr wird Berlin eine erhöhte italienische Schuldenaufnahme unter scheinbar strengen, aber nur auf dem Papier stehenden Konditionen dulden. Nennen wir es finanzpolitischen Anstand. Insgesamt ist damit eine echte geldpolitische Trendumkehr der EZB nicht möglich.
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