Einstieg in das Thema Internetneutralität: EU-Kommission will kein Zwei-Klassen-Internet. Beim Kampf um die Netzneutralität des Internets stellt sich die EU-Kommission auf die Seite der nutzenden Unternehmen und Privatanwender. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
25.11.2011 09:28 Uhr
SPECIAL INTERNETNEUTRALITÄT

Internetneutralität: Hintergünde und Standpunkte zum Internet der Zukunft

Düsseldorf, 25.11.2011 09:28 Uhr (Johannes Fritsche)

Inter­net­pro­vider sollten Nutzern nicht vorschreiben dürfen, welche Dienste und Inhalte sie sehen dürfen. Lesen Sie, was EU-Parla­ment und EU-Kommis­sion vorhaben.

Informationen zum Autor:
Johannes Fritsche hat sich als Journalist auf die Themen deutsche und europäische Mittelstandspolitik, Digitalisierung der Geschäftsprozesse sowie IT- und Unternehmenssicherheit spezialisiert.

In den letzten Jahren hat sich das Internet grundlegend weiterentwickelt. Immer mehr Benutzer verfügen über schnelle Breitbandanschlüsse. Dienste, die hohe Übertragungskapazitäten beanspruchen, wie das Internet-Fernsehen (IPTV), Videosharing (Beispiel YouTube), Internet(video)telefonie und Webconferencing (Beispiel Skype), ganz zu Schweigen von Cloud Computing, sind auf dem Vormarsch Um mitzuhalten, müssen die Netzbetreiber viel Geld in den Ausbau der Netze investieren, wofür sie gerne die Content-Anbieter und deren Nutzer zur Kasse bitten würden.

Um Datenstaus zu vermeiden und ihre Netze effizienter auslasten können, haben die Netzbetreiber neue Instrumente entwickelt, die unter dem Begriff „Verkehrssteuerung“ oder „Datenverkehrsmanagement“ zusammengefasst werden können. Damit stellen sie das effiziente Funktionieren ihrer Netze und die zuverlässige Bereitstellung von Premiumdiensten wie IPTV oder Internettelefonie sicher. Dieselbe Technik kann aber auch eingesetzt werden, um den Zugriff über Festnetz- oder Mobilfunkverbindungen auf Dienste oder Anwendungen, die keine Priorität genießen, zu verlangsamen oder ihre Qualität gezielt zu verschlechtern. Deshalb gibt es Befürchtungen, dass die Bevorzugung bestimmter Datenströme anderen Nutzern schaden und die Offenheit des Internet untergraben könnte.

Netzneutralität
Obwohl es noch keine feste Definition für den Begriff „Netzneutralität“ gibt, wird darunter im Allgemeinen verstanden, dass im Internet alle Daten ungeachtet ihres Ausgangs- und Zielpunkts gleich behandelt werden sollten. Eine der wichtigsten Führsprecherinnen ist die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, zuständig auch für die Digitale Agenda der EU-Kommission: „Ich bin entschlossen, das Internet offen und neutral zu halten. Die Verbraucher sollen Zugang zu allen Inhalten haben, die sie wollen. Gleichzeitig sollten Inhalteanbieter und Betreiber die richtigen Anreize für weitere Innovationen haben. Allerdings sind Verkehrssteuerung und Netzneutralität hoch komplexe Fragen. Ich gehe nicht davon aus, dass sich ein Konzept gegen ein anderes durchsetzen sollte“.

Schon 2009 hatte die EU-Kommission als Teil ihres EU-Telekom-Reformpakets zugesagt, die Offenheit und Neutralität des Internet genau zu beobachten. Den aktuellen Stand lieferte eine im Sommer 2010 laufende dreimonatige Konsultation zum „offenen Internet und zur Netzneutralität in Europa“, an der 318 Akteure der gesamten Wertschöpfungskette teilnahmen, darunter das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK), Netzbetreiber, Internetdienstleister, Behörden der Mitgliedstaaten, Verbraucherverbände und Organisationen der Zivilgesellschaft wie auch Einzelpersonen.

Konsultationsergebnisse
Die Anfang November 2010 veröffentliche Ergebnisse der Konsultation sind eindeutig: Die Zustimmung zur Erhaltung eines offenen Internets und zur Ablehnung von Beschränkungen ist nahezu einhellig:

  • Eine Verkehrssteuerung ist notwendig ist und gehört zu den wesentlichen Aspekten eines gesicherten und effektiven Netzbetriebs. Einige Teilnehmer äußerten aber Bedenken, dass dieses Instrument missbraucht werden könnte, um bestimmte Diensteanbieter gegenüber anderen zu bevorzugen. Außerdem stelle Prüfsoftware für Datenpakete eine Bedrohung der Privatsphäre dar.
  • GEREK, das Gremium der EU-Telekom-Regulierer, warnte vor möglichen Problemen, wenn Diskriminierung zur Behinderung des Wettbewerbs führt, aber auch vor langfristigen Folgen für die Internetwirtschaft in Bezug auf Innovation und Meinungsfreiheit sowie vor einer Verunsicherung der Verbraucher durch mangelnde Transparenz.
  • Einige Inhalteanbieter befürchteten, dass eine veränderte Preisgestaltung (zum Beispiel bei der Bezahlung bereitgestellter Inhalte) zu einer Art Innovationssteuer führen könnte.
  • Zahlreiche Teilnehmer halten das Blockieren von Telefondiensten über das Internet und die Bandbreitendrosselung bei bestimmten Websites für problematisch.
Speziell zum Thema Internettelefonie appellierte EU-Kommissarin Kroes auf dem „Netzneutralitätsgipfel“ am 11. November 2010 in Brüssel an die Verbraucher, sie sollten einfach mit den Füssen abstimmen und sich nicht die Nutzung von Skype einschränken lassen. Kroes kündigte auch an, dass die EU-Kommission rechtliche Schritte einleiten werde, wenn es zur staatlichen Einschränkung der Internetnutzung kommen sollte.

Die EU-Kommission wird die Stellungnahmen der Konsultation und die Meinungsäußerungen aus anderen Foren auswerten und dann in einer offiziellen Mitteilung über die Netzneutralität erläutern, ob sie zusätzlichen Initiativen zur Wahrung der Netzneutralität starten wird. Dafür hat sie die breite Unterstützung des EU-Parlaments quer durch alle Fraktionen, von den Abgeordneten der Linken und Grünen bis hin zu wirtschaftsnahen Mittelstandspolitikern. „Der Zugang zum Internet darf nicht davon abhängig sein, ob oder wie viel an die Telekommunikationsanbieter bezahlt wird. Die Netzneutralität ist deshalb extrem wichtig für kleinere und mittlere Unternehmen, da sie ihnen einen gleichberechtigten Zugang zum Internet ermöglicht. Eine Abschaffung der Netzneutralität wäre für den Mittelstand negativ und würde ‚freie Fahrt für große Unternehmen’ bedeuten“, erklärt der österreichische Europaabgeordnete Dr. Paul Rübig von der EVP-Fraktion.

Weitere Beiträge:
EU-Parlament: Wie soll das Internet der Zukunft aussehen?
EU-Parlament: Internet soll neutral und offen bleiben
Internetneutralität: Stimmen von EU-Abgeordneten zum Beschluß des EU-Parlaments

(Der Beitrag erschien in der Ausgabe 01-2011 von Business&IT)
(Foto: Peter Kirchhoff;pixelio.de)

 

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