Mit der Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 erfolgt für den privaten Kapitalanleger ein massiver Einschnitt in die bisherigen Besteuerungsregelungen. Umso mehr ist es für den Anleger sinnvoll, sich zusammen mit seinem Berater über eine steueroptimale Depotstruktur Gedanken zu machen. Wir befragten dazu Frau Steuerberaterin Ellen Ashauer-Moll, spezialisiert auf die Besteuerung privater Kapitalanlagen. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
26.11.2008 10:58 Uhr
INVESTMENTS

Interview zum Thema des Monats: Private Kapitalanlagen - Abgeltungsteuer

Nürnberg, 26.11.2008 10:58 Uhr (redaktion)

Mit der Einfüh­rung der Abgel­tung­steuer ab 2009 erfolgt für den privaten Kapi­tal­an­leger ein massiver Einschnitt in die bishe­rigen Besteue­rungs­re­ge­lungen. Umso mehr ist es für den Anleger sinn­voll, sich zusammen mit seinem Berater über eine steu­e­r­op­ti­male Depot­struktur Gedanken zu machen. Wir befragten dazu Frau Steu­er­be­ra­terin Ellen Ashauer-Moll, spezia­li­siert auf die Besteue­rung privater Kapi­tal­an­lagen.

Frau Ashauer-Moll, der Presse des letzten Jahres war zu entnehmen, dass mit Einführung der Abgeltungsteuer viele Kapitalanlageprodukte den steuerlichen Anreiz verlieren. Wie begründet sich diese Aussage?
Mit Einführung der Abgeltungsteuer werden Wertsteigerungen von Kapitalanlagen ohne eine Haltefrist der Besteuerung unterworfen. Dies ist ein Bruch mit dem bisherigen Steuersystem in Deutschland, nach dem Wertsteigerungen im Privatvermögen bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich steuerlich irrelevant waren. Werden Kursgewinne von privaten Kapitalanlagen aktuell nur bei Realisation innerhalb einer Haltedauer von einem Jahr steuerlich erfasst, so führt ein Verkauf oder eine Einlösung von Kapitalanlagen ab 2009 unabhängig von einer Haltefrist zu einem steuerpflichtigen Gewinn. Dieser unterliegt dann der 25-prozentigen Abgeltungsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Durch den Wegfall dieser Spekulationsfrist werden aus steuerlicher Sicht solche Kapitalanlageprodukte uninteressant, die auf die Steuerfreiheit von Veräußerungs- beziehungsweise Einlösungsgewinnen abgezielt haben, zum Beispiel Zertifikate wie Bonuszertifikate, Discountzertifikate oder Indexzertifikate. Positiv betrachtet wird sich der Anleger auch beim Handel mit Aktien wieder verstärkt auf die Rendite konzentrieren und nicht auf die Einhaltung der Jahresfrist.

Der Gesetzgeber hat hierbei jedoch in verschiedenen Fällen für bis 2009 erworbene Kapitalanlagen einen Bestandsschutz eingebaut: Abgesehen von einigen durchaus gewichtigen Ausnahmen gilt die Haltedauer von einem Jahr weiterhin für solche Kapitalanlagen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben worden sind. Kaufen Sie zum Beispiel Aktien noch in 2008, so können Sie die Wertsteigerungen aus diesen Aktien nach Ablauf eines Jahres, zum Beispiel bei Verkauf in 2010, steuerfrei realisieren.

Welche Kapitalanlageprodukte wurden vom Bestandsschutz ausgenommen?
Der Gesetzgeber hat noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens den Bestandsschutz für solche Zertifikate stark eingeschränkt, die ab 15. März 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 erworben werden. Die Veräußerung ist dann nach Ablauf der Haltedauer zunächst steuerfrei. Eine Veräußerung ab Mitte 2009 führt jedoch wieder zu einem Aufleben der Steuerpflicht, so dass dann der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist. Das bedeutet nicht, dass der Anleger nicht mehr steuerfrei in solche Zertifikate investieren kann. Ein Erwerb bis Mitte 2008 eröffnet die Möglichkeit, das Zertifikat nach Ablauf eines Jahres noch vor Mitte 2009 steuerfrei zu veräußern.

Weiterhin hat der Gesetzgeber den Bestandsschutz für bestimmte Investmentfonds - in der Presse „Millionärfonds“ genannt - eingeschränkt. Es handelt sich für ab 10. November 2007 erworbene Anteile an in- und ausländischen Spezialfonds und solchen Investmentfonds, bei denen eine Mindestanlagesumme in Höhe von 100.000 Euro erbracht werden muss oder bei denen der Anleger besonders qualifiziert sein muss. Gängige Publikumfonds sind jedoch nicht betroffen. Hier gilt weiterhin, dass der Erwerb von Anteilen vor 2009 den Bestandsschutz wahrt.

Durch die Einführung der Abgeltungsteuer soll die Besteuerung der Kapitalerträge vereinfacht werden, weil die Abgeltungsteuer direkt an der Quelle einbehalten wird und der Anleger die Erträge nicht mehr in der Steuererklärung erfassen muss. Inwieweit halten Sie diese Auffassung für zutreffend?
Ob die abgeltende Wirkung des neuen Besteuerungsverfahrens wirklich zu einer Vereinfachung führt, hängt von verschiedenen Aspekten ab. Zum einen greift die Abgeltungswirkung nur, wenn die Kapitalerträge der Abgeltungsteuer unterliegen. Das bedeutet, dass für Konten und Depots im Ausland weiterhin die Kapitalerträge verpflichtend in der Steuererklärung anzugeben sind.

Zum anderen hat der Anleger ein Wahlrecht, Kapitalerträge in der Steuererklärung anzugeben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sein persönlicher Steuersatz unterhalb von 25 Prozent liegt. Zahlreiche Sachverhalte geben Anlass, den Ansatz der Kapitalerträge in der Steuererklärung zu prüfen.

Wann sollte der Anleger die Angabe von Kapitalerträgen in der Steuererklärung prüfen?

Die Zahlstellen, insbesondere die Kreditinstitute, behalten die Abgeltungsteuer für den Anleger bereits an der Quelle ein. Dies entspricht dem aktuell bestehenden Prinzip der Kapitalertragsteuer beziehungsweise Zinsabschlagsteuer. Dazu benötigen sie die entsprechenden Angaben über die Höhe der Erträge. Dies stellt kein Problem dar, solange es sich um einfache laufende Zinserträge, zum Beispiel aus Termingeldern, handelt.

Sobald aber Angaben für die Ermittlung der Höhe der Kapitalerträge fehlen, muss die Zahlstelle von einer Ersatzbemessungs-Grundlage ausgehen. Fehlt der depotführenden Bank bei der Veräußerung von Aktien zum Beispiel der Einstandspreis, so muss sie die Abgeltungsteuer auf 30 Prozent des Veräußerungspreises einbehalten. Dies entspricht einem Gewinn von rund 41,86 Prozent, bezogen auf den Einstandspreis. Gerade wenn der tatsächliche Gewinn darunter liegt, sollte dieser geringere Gewinn durch Angabe der Kapitalerträge in der Steuererklärung korrigiert werden. Liegt der tatsächliche Gewinn darüber, muss meines Erachtens der Anleger den höheren Gewinn der Besteuerung unterwerfen.

Auch die Veräußerung von ausländischen thesaurierenden Investmentfonds stellt eine steuerliche Stolperfalle dar. Das depotführende Kreditinstitut ist verpflichtet, bei Veräußerung eine „Sicherungssteuer“ einzubehalten. Dann ist die Abgeltungsteuer auf die aufgelaufenen thesaurierten Erträge - längstens seit 1. Januar 1994 – einzubehalten. Die thesaurierten Erträge sind jedoch bereits jedes Jahr durch den Anleger versteuert worden. Diese Doppelbelastung kann der Anleger nur im Wege der Steuererklärung im Jahr der Veräußerung korrigieren und die Erstattung der zuviel einbehaltenen Abgeltungsteuer erreichen.

Die Verrechnung von Veräußerungsverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften vor 2009 – sogenannte Alt-Verluste – mit Kapitalgewinnen ab 2009 kann nur über die Steuererklärung erfolgen. Besitzt der Anleger diverse Depots bei verschiedenen Kreditinstituten, so kann eine Verlustverrechnung zwischen den Banken nur über die Steuererklärung des Anlegers erfolgen. Ein Austausch zwischen den Kreditinstituten erfolgt im Regelfall nicht. Dafür benötigt der Anleger eine Verlustbescheinigung durch das Kreditinstitut, die bereits bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres ausgestellt werden muss.

Bei Versagung der Abgeltungsteuer, zum Beispiel in den Fällen der back-to-back-Finanzierung oder bei bestimmten Gesellschafterdarlehen, müssen die Kapitalerträge im Rahmen der Steuererklärung dem persönlichen Steuersatz des Anteilseigners unterworfen werden.

Was empfehlen Sie dem Anleger?
Sicherlich ist es wichtig, dass der Anleger sämtliche Belege zu seinen Kapitalanlagen aufbewahrt – insbesondere Wertpapierabrechnungen, Kontoauszüge, Emissionsprospekte. Der Steuerberater sollte auch künftig stark in die private Kapitalanlage des Anlegers eingebunden sein. Dabei bietet es sich an, für private Vermögen eine Buchhaltung einzurichten, um im laufenden Jahr steuerlich reagieren zu können. Sie dient auch der Prüfung der durch die Banken einbehaltenen Abgeltungsteuer. So kann der Anleger seinen steuerlichen Pflichten nachkommen, vor allem aber seine Rechte wahren.

Es gilt auch zu überdenken, ob künftig das Ein-Bank-Prinzip Vorrang erhält, um Verlustverrechnungsproblematiken zwischen Banken zu vermeiden.

Generell sollte der Anleger im Hinblick auf die kommende Abgeltungsteuer bereits jetzt seine Kapitalanlagen prüfen und gegebenenfalls die Anlagestrategie anpassen. Dabei sind jedoch nicht allein steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Die Rendite vor Steuern, das Risiko, die Langfristigkeit und die Liquidität der Anlage sind vorrangig maßgebend für eine Anlageentscheidung.

Wird der Kontenabruf mit Einführung der Abgeltungsteuer eingeschränkt oder entfällt er sogar komplett?

Die Bundesregierung spricht von einer Einschränkung des Kontenabrufs. Die mit der Abgeltungsteuer angekündigte Vereinfachung der Besteuerung von Kapitaleinkünften verleitet dazu, dies auch zu glauben. Werden alle Kapitaleinkünfte durch die Abgeltungsteuer definitiv erfasst, ist ein Kontenabruf nicht mehr notwendig. Doch der Blick ins Gesetz zeigt, dass zahlreiche Ausnahmen dem Kontenabruf nach wie vor Tür und Tor öffnen. Die Wahl zur Veranlagung oder die Nichtzahlung von Steuerschulden erlauben dem Finanzbeamten den Datenzugriff. Auch zur Prüfung der Einkommensgrenzen bei Kindern darf der Kontenabruf eingesetzt werden. Auch bei Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen und Spenden kann ein Kontenabruf gestartet werden. Im Ergebnis werden zahlreiche Steuerbürger von den Ausnahmen erfasst, so dass von einer Einschränkung des Kontenabrufs durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 nicht gesprochen werden kann.

Der Einsatz des Kontenabrufs zur Entdeckung von Steuerstraftaten spricht längerfristig gegen die Abschaffung des Kontenabrufs. Bei einem Abruf erhält der Fiskus nicht nur Angaben zu Namen, Geburtsdatum und Bevollmächtigtem. Auch das Datum der Eröffnung und der Schließung sind ermittelbar. Damit kann noch zum Beispiel im Jahr 2019 bei einem Abruf das Finanzamt von einem Depot erfahren, das bis 2010 bestanden hat. Ausgehend vom Veranlagungszeitraum 2008 und unter Berücksichtigung der 10-jährigen Festsetzungsfrist könnte somit der Kontenabruf mindestens bis zum Jahr 2020 bestehen bleiben.

Lesen Sie hier das Thema des Monats

Zur Person:
Frau Ashauer-Moll ist Spezialistin im Bereich der Besteuerung von Kapitalanlagen und hat langjährige Erfahrung in der Beratung von privaten Vermögenden und Unternehmern privat sowie von Kreditinstituten. Als Autorin zahlreicher Fachpublikationen, unter Anderem des Buches “Besteuerung von Kapitalanlagen”, hat sie ihr Wissen praxisnah dargelegt. Sie hält zahlreiche Vorträge und Seminare zu diesem Themenbereich.

Diplom-Kauffrau, Steuerberaterin
Tel.: +49 (9 41) 2 97 66-26

 

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