Die Krise im Euroraum ist nur mit allen Mitgliedsländern der Währungsunion und ohne weitere Schuldenschnitte lösbar. Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
19.10.2012 14:31 Uhr
KONZEPT ZUR EUROKRISENLÖSUNG

IMK Wirtschaftsforscher: So kommen wir dauerhaft aus der Euro-Krise!

Düsseldorf, 19.10.2012 14:31 Uhr (Wirtschaftsredaktion)

Die Wissen­schaftler des Institut für Makro­öko­nomie und Konjunk­tur­for­schung (IMK), mit ihrem Direktor Prof. Dr. Gustav A. Horn, sehen vier Schritte zur Lösung der Krise im Euroraum.

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenländern zu kaufen, die Empfehlung des IWF, die Konsolidierungsziele zeitlich zu strecken und die Erklärung des Bundesfinanzministers, keinen Staatsbankrott Griechenlands zuzulassen, weisen in die richtige Richtung.

Allerdings beschränken sich Regierungen und europäische Institutionen trotz dieser Fortschritte weiterhin auf eine Minimalstrategie, die sich zu stark auf einen konjunkturschädlichen Sparkurs konzentriert. So sei bestenfalls eine zeitweilige Stabilisierung möglich, aber keine dauerhafte Überwindung der Krise möglich.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung, in der das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung eine Zwischenbilanz der Eurokrise zieht.

Prof. Dr. Gustav A. Horn: "...nach wie vor dominieren Lesarten, welche die Krise sehr einseitig mit dem angeblich unsoliden Ausgabeverhalten der „Südländer“ erklären. Das geht am Kern des Problems vorbei. In dieser Situation irrlichtern immer wieder brandgefährliche Forderungen nach einem weiteren Schuldenschnitt durch die öffentliche Debatte oder gar nach Möglichkeiten, Euroländer Pleite gehen zu lassen.“

Die Wirtschaftsforscher sehen gute Chancen, dass der Euroraum dauerhaft aus der Krise herauswachsen kann, wenn der erforderliche Strategiewechsel umgesetzt wird. Sie haben ein Konzept für Wege aus der Vertrauenskrise im Euroraum erarbeitet.

Kurzfristig schlagen sie vor:
1. Bereitschaft der Europäischen Zentralbank (EZB), unbegrenzt zu intervenieren. Hier hat die Notenbank Anfang September bereits den entscheidenden Schritt getan. Sie erklärte, unter bestimmten Umständen unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern kaufen zu wollen, um die Renditen dieser Wertpapiere auf ein erträgliches Niveau zurückzuführen.

2. Bekenntnis der Regierungen aller Euroländer, die Krise gemeinsam zu bewältigen. Das heißt im Klartext: Kein Staat muss aus dem Euro ausscheiden, auch Griechenland nicht. Genauso wenig wird es weitere Schuldenschnitte geben. Damit zögen die Europäer die richtigen Schlussfolgerungen aus den negativen Erfahrungen mit dem griechischen Schuldenschnitt, betonen die Forscher. Dieser habe einen zweiten „Lehman-Moment“ für den Euroraum dargestellt: Durch die massiv steigende Verunsicherung an den Finanzmärkten gerieten auch die Staatsanleihen von Spanien oder Italien erheblich unter Druck – und damit auch die Banken in diesen Ländern. „Eine Art von Schuldentilgungsfonds wäre ein praktikabler Weg, diese Zielsetzung institutionell umzusetzen“, so die Forscher. Denn bei einer gemeinschaftlichen Garantie aller Schulden über eine Schuldenquote von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Eurolands hinaus würden sich die Zinsaufschläge für etliche Staaten stark zurückbilden.

3. Regeln nicht nur für den Abbau von Staatsschulden, sondern auch von Leistungsbilanzungleichgewichten. Der von den Euroländern Anfang März 2012 beschlossene Fiskalpakt fokussiert auf die Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten. „Wichtiger als die Höhe der maximalen Schuldenstandsquote ist in diesem Zusammenhang, wie diese fiskalpolitisch zu erreichen ist“, schreiben die Forscher. Die jetzigen Regeln trieben die Krisenstaaten immer weiter in die Rezession, warnen sie. Es wäre besser, einen Ausgabenpfad festzulegen und einen Teil der Steuereinnahmen aus einer konjunkturabhängigen Steuerart, beispielsweise der Einkommensteuer, für die Rückführung der Schulden vorzusehen.

4. Zeitliche Streckung der Sparanstrengungen. Für alle Länder gelte, „dass die Sparmaßnahmen zeitlich gestreckt werden müssen“, schreiben die Forscher. Die hohe negative Wirkung von Ausgabenkürzungen während der Krise führe derzeit in eine Sackgasse. Vorübergehend sollten die Steuern auf Spitzeneinkommen im gesamten Euroraum heraufgesetzt werden, um die in der internationalen Finanzkrise aufgebaute zusätzliche Verschuldung zu reduzieren.

Langfristig plädieren die Ökonomen dafür, Anpassungsmechanismen für die Zeit nach der Krise zu beschließen. In deren Zentrum stehe die Maxime: Eine Währungsunion ist eine Vereinbarung über ein gemeinsames Inflationsziel. Auf mittlere Sicht schlägt das IMK eine Lösung vor, bei der die Souveränität im Wesentlichen bei den einzelnen Mitgliedstaaten verbleibt. Die Entscheidungskompetenzen weiter zu zentralisieren wäre zwar eine Option, mit der das Ziel einer stabilen Währungsunion erreicht werden könnte. Der politische Prozess wäre aber wahrscheinlich langwierig. Daher sollten zunächst die nationalen Regierungen für die Einhaltung des Inflationsziels verantwortlich sein.

Mit diesem Politikmix aus stabilitätsorientierter Fiskalpolitik und flankierender Geld- und Lohnpolitik sei eine im Kern dezentral orientierte Währungsunion möglich, so das IMK. Dennoch seien einige grundlegende institutionelle Veränderungen unumgänglich. So sollte ein Europäischer Währungsfonds (EWF) die Abweichungen der Leistungsbilanzen überwachen und Vorschläge für eine adäquate Reaktion der Politik machen. Dessen Sanktionen sollten automatisch greifen – aber so niedrigschwellig ausgestaltet sein, dass der Bestand des Euroraums nicht gefährdet ist. Ideal dafür sei die Vorgabe, eine Steuer oder Abgabe zu erhöhen oder zu senken.

Hier geht es zur vollständigen Publikation (externer Link;pdf-Datei).

(Quelle: Hans-Böckler-Stiftung)

 

  • Eurokrise
  • Wissenschaft
  • Politik
 
Artikel »   Drucken Versenden

 

1 Kommentar »
 
19.10.12 15:37 Uhr
reiner tiroch
Schuldenkünstler
das bedeutet nichts anderes als Schulden mit Schulden zahlen. mit unbegrenzten Käufen von maroden Anleihen werden alle verursacher auch noch fürstlich belohnt.


Kommentar schreiben »



Kommentar:
Bei einer Antwort möchte ich per Email benachrichtigt werden an
      meine Emailadresse: (wird nicht veröffentlicht)

Bitte übertragen Sie die dargestellte Zeichenfolge in das rechte Feld:

* Bitte halten Sie sich an die Netikette und vermeiden persönliche Anschuldigungen, Beleidigungen und Ähnliches. Verbreiten Sie außerdem keine Unwahrheiten, Vermutungen, Gerüchte sowie rufschädigende oder firmeninterne Informationen. Beachten Sie die Rechte Anderer und urheberrechlich geschützter Quellen. Bei rechtlichen Verstößen haften Sie in vollem Umfang. Aus diesem Grund sind wir gezwungen, Ihre IP-Adresse und Ihren Provider zu speichern. Mit dem Speichern Ihres Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regelungen einverstanden.

 

Weitere Artikel zum Thema:

nach oben
Schnelleinstieg in die Kategorien ...
Mediastream Research

Konjunkturumfrageergebnisse Q1/2019 bei 27.000 Unternehmen.
Telekommunikation-News
Aktuelle Artikel aus der Rubrik Markt & Meinungen
Prognosen und Trends
Auswahl Branchen-Analysen
Europa News
Besondere Aufmerksamkeit aus unserem Leserkreis...
Redaktionelle Artikel, die Interessenten am meisten lesen...

Los geht´s...
Cookies Nutzungshinweis
Diese Seite verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Weitere Informationen ...
 
Finanzen Markt & Meinungen - Das Praxismagazin für Finanzthemen
Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

Portalsystem 2025 © FSMedienberatung
Contentservice: Javascript Newsticker für Ihre Internetseite RSS Feed XML 0.9
0,789 Sek.