Prof. Dr. Sighard Neckel, 55, ist seit Oktober 2011 Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Soziale Ungleichheit an der Goethe-Universität. Zugleich ist er Mitglied des Kollegiums des Instituts für Sozialforschung (IfS). Das Praxismagazin für Finanzthemen Onlineausgabe des Printmagazins Finanzen Markt & Meinungen.

 
 
24.09.2012 11:03 Uhr
GESELLSCHAFTS- UND POLITIKANALYSEN

Soziologieprofessor Neckel: Der Geldgier auf der Spur

Frankfurt/Main, 24.09.2012 11:03 Uhr (Gastautor)

Der Sozio­lo­gie­pro­fessor an der Goethe-Univer­sität in Frank­furt, Sighard Neckel, in einem Inter­view: "Gier wird heute zum Struk­tur­prinzip finan­z­öko­no­mi­schen Handelns, sie ist Begleiter­schei­nung und Neben­pro­dukt eines Wett­be­werbs, der davon regiert wird, die stets lauernde Chance auf den jeweils noch besseren Deal nicht zu verpassen.

Gier frisst Hirn... Selbst Finanzexperten sehen einen seltsamen Zusammenhang von Gier und Vernunft. Wie passen die individuelle Jagd nach Rendite mit den Zielen der Gesellschaft zusammen?

In dem Interview mit dem Titel „Gier: Eine Emotion kommt ins Gerede“ konstatiert der Soziologe, in der öffentlichen Diskussion werde häufig so getan, „als ob der Zusammenbruch der Finanzmärkte 2008 und auch die heutigen Turbulenzen der Eurokrise ihre Erklärungen in der Gier der Menschen als einer schlechten Charaktereigenschaft finden würden“. Diese individuellen Zuschreibungen seien für ihn jedoch „eigentlich das, was mich an Gier am wenigsten interessiert“.

In der von Neckel mit verfassten Studie „Strukturierte Verantwortungslosigkeit“ gab ein Investmentbanker zu Protokoll, dass in erster Linie die Gier der Anleger für die Finanzkrise verantwortlich gewesen sei. Alles in allem ergaben aber auch die „Berichte aus der Bankenwelt“, so der Untertitel der Untersuchung, ein differenziertes Bild. „Und das ist dann für mich der Beginn einer intensiveren Beschäftigung mit Gier gewesen, wobei ich dabei zunächst einmal auf das zurückgegangen bin, wodurch Gier im engeren Sinne gekennzeichnet ist.“

Grundlegende Überlegungen hat Neckel auch in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Leviathan“ angestellt („Der Gefühlskapitalismus der Banken: Vom Ende der Gier als ‚ruhiger Leidenschaft’“). Gier wird in ganz unterschiedlichen Wissenschaften als „Erwartungslust“ beschrieben. Sie erfährt ihre Befriedigung gerade nicht durch den Genuss eines Objekts; die Lust der Gier liegt im Verlangen selbst.

Laut Neckel habe sich auf den modernen Finanzmärkten auch jenseits individuellen Verhaltens eine ökonomische Handlungsstruktur entwickelt, „die genau jene Eigenschaften aufweist, die wir mit Gier verbinden: die Steigerung von Renditen um ihrer selbst willen, jenseits aller sachlichen Bindung, nur vom Ziel bestimmt, den Gewinn von heute Morgen durch höhere Gewinne am nächsten Tag zu überbieten“. In der Handlungsstruktur der heutigen Finanzmärkte kehre die Maßlosigkeit der Gier, die durch bestimmte wirtschaftliche Ziele gar nicht befriedigt werden könne, „gewissermaßen als Geschäftsmodell wieder“.

Das komplette Interview steht hier als pdf-Datei zur Verfügung (externer Link).

(Quelle: idw/Goethe Universität)

 

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