DIW Analyse | Kommunen als Nadelöhr öffentlicher Investitionen
Berlin, 21.10.2015 11:32 Uhr (Wirtschaftsredaktion)
Nachdem die KfW Bankengruppe Zahlen zum Thema staatliche Investitionen vorgelegt hat, beschäftigt sich das DIW Berlin mit der kommunalen Investitionstätigkeit.
Eine Forschergruppe des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat die kommunale Investitionstätigkeit in Deutschland näher untersucht. „Trotz der öffentlichen Überschüsse investiert ein großer Teil der Kommunen zu wenig, und die Probleme werden sich für viele von ihnen noch verschärfen, wenn die Wirtschaftspolitik nicht schnell und entschieden gegensteuert. Vor allem Kommunen mit hohen Sozialausgaben investieren deutlich weniger“, bilanziert DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Experten des DIW Berlin empfehlen deshalb, den Solidaritätszuschlag temporär zu nutzen, um die Kommunen bei den Sozialleistungen für Wohnen und Heizkosten zu entlasten. Damit würde der Rahmen für mehr kommunale Investitionen geschaffen.
In Deutschland werden über die Hälfte der Investitionen auf der kommunalen Ebene getätigt, Kommunen finanzieren Kitas, Schulen und den kommunalen Verkehr. Die Herausforderungen der Zukunft sind vielfältig angesichts des demographischen Wandels und vor dem Hintergrund der beschlossenen Energiewende. Zudem sind es die Kommunen, die den Zustrom an Flüchtlingen organisieren und verwalten. „Mit Investitionen in die Integration dieser Menschen gestalten die Kommunen nicht nur deren Zukunft, sondern auch die eigene“, so DIW-Präsident Fratzscher.
Die Auswertungen des DIW Berlin zeigen jedoch, dass die kommunale Investitionstätigkeit seit Jahren ausgeprägt schwach ist. Die Investitionsquote hat sich gegenüber dem Jahr 1991 etwa halbiert. Seit der Jahrtausendwende reichen die kommunalen Investitionen nicht einmal mehr aus, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise zu modernisieren. „Die Nettoinvestitionen, das heißt der Saldo aus Investitionen und Abschreibungen, sind seit dem Jahr 2003 negativ. Seither sind mehr als 46 Milliarden Euro im Bereich der Infrastruktur nicht mehr ersetzt worden“, sagt DIW-Investitionsexperte Claus Michelsen. Auch die Investitionen der kommunalen Unternehmen konnten dieses Defizit nicht ausgleichen.
Extreme Unterschiede zwischen einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten
Neun der zehn Kommunen mit den höchsten Investitionsausgaben liegen in Bayern. Spitzenreiter ist der Landkreis München - eine der wirtschaftlich stärksten Regionen in Deutschland - mit Investitionen von 724 Euro pro Einwohner im Jahr 2013. Dagegen konnte Wilhelmshaven in Niedersachsen nur 35 Euro pro Kopf investieren. Es gehört damit zu den zehn investitionsschwächsten Kommunen, von denen neun kreisfreie Städte sind. Mit Bielefeld, Hagen und Duisburg haben sich gleich drei Städte aus Nordrhein-Westfalen unter letzteren platziert. Aus dem Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern ist demgegenüber keine Kommune vertreten, obgleich diese Länder im Durchschnitt das geringste Investitionsniveau aufweisen. Mit Halle (Sachsen-Anhalt) und Jena (Thüringen) finden sich nur zwei ostdeutsche Kommunen unter den zehn investitionsschwächsten. Als einziger Gesamtkreis rangiert dort der Odenwaldkreis in Hessen.
Die finanzschwachen Kommunen geraten in eine Abwärtsspirale: Weil sie kein Geld für Investitionen haben, werden sie wirtschaftlich noch weiter abgehängt. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, schlagen die DIW-Experten mehrere Maßnahmen vor. Der Bund könnte strukturschwache Kommunen unterstützen, indem er ihnen mehr Mittel für Investitionen überlässt. Lösungen bieten sich auch bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, wenn finanzschwache Länder eher in die Lage versetzt werden, ihren Kommunen die notwendigen Mittel zukommen zu lassen. „Würden die kommunalen Steuereinnahmen im Länderfinanzausgleich vollständig berücksichtigt, so wären die finanzschwachen Länder in der Lage, ihren Kommunen zusätzliche Mittel für Investitionen zur Verfügung zu stellen“, sagt DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden.
Der komplette DIW Wochenbericht steht als Download zur Verfügung (pdf-Datei; externer Link).
(Quelltext: DIW Berlin)
Politik Wirtschaft
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